: Erosion statt Eruption
Eishockey-Halbfinals: Überraschender 3:0-Sieg der Berliner Preussen bei der Düsseldorfer EG / Hedos München im Finale ■ Aus Düsseldorf Bernd Müllender
Es gab Momente, da hätte man mit durchaus guten Erfolgsaussichten den Versuch mit der fallenden Stecknadel machen können. Und das an der Brehmstraße, dem sonst so krächernen Eistempel mit dem legendären Lärmpegel. Doch am Dienstag abend war, je länger das dritte Halbfinale zwischen der Düsseldorfer EG und den Berliner Preussen lief, moderates Gemurmel der gut 11.000 frustrierten Düsseldorfer die heftigste akustische Darbietung. 0:3 hieß es am Ende (damit insgesamt 2:1 Siege für Berlin), und keiner konnte sich erinnern, wann der glorreiche Serienmeister DEG zuletzt nicht mal ein einziges Törchen daheim zustande gebracht hatte.
Nach 5:55 Minuten begann womöglich das Scheitern der DEG bei dem Versuch, den fünften Eishockeytitel in Folge zu gewinnen: Benoit Doucet, im Vorjahresfinale noch Schütze des alles entscheidenden Finaltores gegen Kölns Haie, mußte auf die Sünderbank. Kurz darauf folgte sein Kapitän Rick Amann, und mit fünf gegen drei schaffte Preussens Verteidiger Josef Lehner die Führung. Die lange Restzeit rannten die Titelverteidiger fast pausenlos an: wild, aber überhastet und zunehmend nervös. Gefährlicher bei ihren aufreizend kühlen und kombinationssicheren Kontern waren, vor allem in ihrem beängstigend starken ersten Drittel, die Berliner. Allen voran der fast unbremsbare John David Chabot, Urenkel eines Indianer-Häuptlings vom Stamme der Algonquin.
Und kämpften sich die DEGisten mal durch, scheiterten sie vieldutzendfach an einem sensationell starken Klaus Merk im Berliner Tor, der, wie schon in der Viertelfinalserie gegen Krefeld und bei Olympia, bewies, daß er derzeit der mit Abstand stärkste deutsche Torwart ist. „Überragend“, untertrieb sein Trainer Billy Flynn hernach. Helmut de Raaf dagegen im DEG-Kästlein war ein einziges Nervenbündel mit vielen Unsicherheiten und Fangfehlern und hatte noch Glück bei zwei Lattenkrachern des torgefährlichsten Bundesligaverteidigers Tom O'Regan (21 Saisontore), dessen Schüsse er nachträglich höchstens hörte. Daß maßgeblich der bessere Torwart, mehr als in jeder anderen Sportart, ein Spiel oder vielleicht sogar eine Meisterschaft entscheidet, gilt in der Bandenbranche als Dogma.
Selbst der Tölzer Metzgermeister und DEG-Trainer Hans Zach, in Puckkreisen ob seines eruptiven Gemüts Alpenvulkan genannt, verfolgte das Geschehen ab dem 0:2 durch Michael Komma früh im zweiten Drittel zunehmend passiv, schweigend, abwinkend. Der Hockeyvulkan erloschen – dabei hatte man bislang geglaubt, daß eher der Andreasgraben in Kalifornien zu bändigen sei, als daß Hans Zach von seinem Temperament im Stich gelassen wird.
War es schon Galgenhumor, den Zach nachher zum „hochklassischen Spiel“ wiedergab? „Ganz gut, daß es auch mal andersherum läuft, sonst habe ich immer nur mißmutige Menschen nach den Spielen gegen uns gesehen.“ Und ist es statt Eruption schon Erosion, die seine Cracks nach ihrer zeitweise zaghaften Vorstellung befallen hatte? Bitterlich beklagt hatte sich Zach noch nach dem ersten Spiel über den Gegner, der ohne „shake hands“ das Eis verlassen hatte. Am Dienstag schlich ein Teil seiner Cracks grußlos in die Kabinen. Fehlende Solidarität und Disziplinlosigkeit – für einen wie Hans Zach fast schon Palastrevolution. DEG-Präsident Josef Klüh sprach im internen Kreis sogar schon vom Scheitern insgesamt: „Dat Dingen haben wir jetzt wohl schon verloren.“
In den Schlußminuten hatten sich die Zuschauerinnen und Zuschauer noch Mut gemacht: „Und am Sonntag sind wir alle wieder da“, sangen sie trotzig. An welchem Sonntag, ließen sie offen. Wenn die Preussen am Freitag abend das vierte Spiel gewinnen und damit in die Finalrunde gegen Hedos München einziehen (das den Kölner EC entscheidend mit 4:2 schlug), findet das nächste Sonntagsspiel der DEG erst im September statt. Münchens Hedosisten haben sich derweil schon Berlin als (vermeintlich schwächeren) Endspielgegner gewünscht. Wenn sie sich da mal nicht verspekulieren. Und wenn bloß nicht der selbsternannte Glücksbringer Eberhard Diepgen am Freitag beherzt behelmt zum Ehrenbully angeschlittert kommt.
Zuschauer: 10.700; Tore: 0:1 Lehner (7:41), 0:2 Komma (24:33), 0:3 Rentzsch (59:19)
Zuschauer: 6.100; Tore: 1:0 Benda (8:26), 2:0 Franz (28:26), 2:1 Dorochin (50:50), 3:1 Franz (56:24), 4:1 Hilger (57:28), 4:2 Sikora (57:56)
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