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Stadt will 14 Mio verschleudern

■ Täuschte der Staatsrat das Parlament? / 14 Mio. für Ex-AG-Weser-Hallen

Mitte April wollen sich Bremens Wirtschaftsförderungs-Ausschüsse endlich mit einer unangenehmen Altlast befassen und darüber informieren lassen, was denn nun der Stand der Dinge auf dem ehemaligen AG-Weser-Gelände ist. Das scheint teuer zu werden: Der Wirtschaftsressort will in die Sitzung mit einer in der Ampel-Koalition abgestimmten Vorlage gehen, nach der die alten Hallen, Kräne und andere Hinterlassenschaften der Grunau-Ära für 14 Millionen Mark aufgekauft werden sollen. Das Geld würde im wesentlichen direkt an die Sparkasse gehen, die im Vertrauen auf die bremische Wirtschaftspolitik an Grunau Kredite in dieser Größenordnung gegeben hatte.

Daß das alte Zeugs, was Bremen da kaufen soll, die 14 Millionen nicht wert ist, hat die Wirtschaftsbehörde selbst in einem internen Papier im November 1993 so formuliert: Es ergebe sich für Bremen das „Wertrisiko für den Fall, daß die Objekte nicht zum Einstandspreis wieder veräußert werden können“. Für die Grunau-Gruppe gab es ein derartiges Risiko nicht: Sie hatte die beiden Hallenkomplexe 1986 für 3,9 Millionen von der Stadt gekauft.

Die 14 Millionen, die jetzt bar zurückfließen sollen, sind nicht der volle Preis, um den Schlußstrich unter das Grunau-Kapitel zu ziehen. Schon im vergangenen Herbst hatte der Wirtschaftssenator ohne Rücksprache mit seinem parlamentarischen Kontroll-Ausschuß großzügig auf die Mietrückstände verzichtet, die für Werft-Flächen aufgelaufen waren. „Stand am 31.12.1992 in Höhe von DM 1.531.539,14“ immerhin. Der Hintergrund: Werft-Flächen, eigens fürGrunau gekauft, für die die Stadt mehr als 250.000 Mark Kapitalkosten monatlich aufbringen muß, hatte das Land für schlappe 60.000 Mark an Grunau gegeben. Der zahlte über Jahre selbst diese Summe nicht, offenkundig mit Billigung der Wirtschaftsförderer: Die Stadt trieb aber über Jahre diese Schulden nicht ein und kündigte auch nicht fristlos.

Etwas zugeknöpft gibt sich das Ressort bei einer anderen Summe, auf die Bremen verzichten soll: Grunaus Mahndorfer Industriegrundstück hatte er 1989 an Bremen verkauft und danach ganz offiziell mietfrei zur weiteren Verfügung gestellt bekommen. Allerdings nur „für den Fall, daß ..( die Grunau-Gruppe) während dieser Zeit mindestens 4 Mio. Mark in den Ausbau ihrer AG-Weser-Betriebsstätte investiert, sowie den Personalbestand auf ihrer AG-Weser-Betriebsstätte von derzeit 196 Mitarbeitern um weitere 60 Mitarbeiter erhöht“. So steht es klipp und klar in dem Vertrag, und der bezeichnete Zeitraum sind die drei Jahre von Mai 1989 bis Mai 1992.

Die Treuarbeit hat festgestellt, daß am Stichtag 31.5.1992 genau 140 Arbeitskräfte „mit direkter Beschäftigungswirkung auf dem AG-Weser-Gelände tätig“ waren. Arbeitsplätze auf dem Gelände wurden also nicht geschaffen. Zur Investitionsauflage gebe es dagegen, behauptet das Wirtschaftsressort, eine „gutachterliche Aussage derFides“, die „deutlich machen“ würde, daß Grunau „seit 1984 mehr als 14 Mio“ investiert habe – die Investitionsauflage sei somit erfüllt.

Die Mitglieder der Wirtschaftsförderungs-Ausschüsse scheinen zu glauben, was ihnen ihr Senator sagt. Investitionsauflage erfüllt? „Das ist nachgewiesen. Das stand in einer Vorlage“, sagt zum Beispiel Manfred Schramm (Grüne). Auch FDP-Wirtschaftspolitiker Peter Braun weiß von dieser Vorlage, die „zur Kenntnis genommen“ wurde.

Wer genau hinguckt, muß sich allerdings fragen, warum das Ressort die Erfüllung einer Vertragsbedingung für die Jahre 1989-92 mit eine Bemerkung über „seit 1984“ belegt. Vollends skeptisch muß man werden, wenn man sich fragt, warum die Wirtschaftsbehörde ihren parlamentarischen Kontrolleuren erzählt, es gebe eine „gutachterliche Aussage der Fides“ zu den Grunau-Investitionen. Was die Parlamentarier nicht wissen: Die Fides ist der von Grunau bezahlte Steuerberater und also keineswegs neutral. Der zuständige Fides-Mann Schnitker hat auf die Frage, ob er für das Bremer Wirtschaftsressort Investitionen über 4 Millionen Mark in dem Zeitraum 1989-92 bestätigt habe, um den es in dem Vertrag geht, „keine Erinnerung“. Auch der zuständige Mann im Finanzressort, Heiber, der sonst die Eintreibung von Mietrückständen für die leere Stadtkasse energisch betreibt, glaubt, daß Grunau seine Investitionsauflagen erfüllt hat, weil es die allgemeine Fides-Bestätigung „seit 1984“ gibt. Und auch der federführende Referent im Wirtschaftsressort, Düren, weiß auf taz-Anfrage nur, daß Grunau „nicht so investiert wie abgesprochen“ habe, nichts von einem Nachweis über 4 Millionen seit dem Mahndorf-Vertrag 1989.

Einen ehemaligen Konkurrenten von Grunau, den Kaufmann und Steuerberater Müllmann, kann dies auf die Palme bringen. „Da ist überhaupt nichts investiert worden“, sagt er. Zumindest der Wirtschafts-Staatsrat Frank Haller sei oft genug über das Gelände gegangen, um aus eigenem Augenschein zu wissen, daß da weder eine neue Halle gebaut worden ist noch Krananlagen oder irgendwas, was auf eine Investition über 4 Mio hindeuten könnte. Wenn es aber keinen Nachweis des Steuerberaters, geschweige denn eine „gutachterliche Aussage“ über die Investitionsauflage gibt, dann müßte die Stadtgemeinde nach dem Vertrag die volle Miete (1,005 Mio) plus 500.000 Mark fordern.

Für Müllmann ist klar: Das Wirtschaftsressort hat unter der Verantwortung des Staatsrates offenkundig die zuständigen Parlamentarier darüber hinweggetäuscht, daß da eine Rückzahlungsforderung in Millionen-Höhe besteht und auf diese Summe verzichtet. Wenn ein Beamter das ihm anvertraute Vermögen schädigt, ist das als „Untreue“ strafbar – Müllmann hat deshalb seine Strafanzeige gegen den Wirtschafts-Staatsrat um diesen Sachverhalt erweitert. K.W.

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