: „Das war kein Zufall“
■ Attentat auf Lübecker Synagoge: Ermittlungen aufgenommen / Polizeischutz gefordert / Stadt hält fünf Minuten inne / Reaktionen aus Hamburg
„Das war absehbar“, sagt Heinz Jaeckel. Der Geschäftsführer der jüdischen Gemeinden in Schleswig-Holstein und Hamburg hält den Anschlag auf die Lübecker Synagoge „angesichts des Gewaltpotentials in der rechtsradikalen Szene“ nicht für einen Zufall. Für die Lübecker Synagoge – der einzigen in Schleswig-Holstein – hat Jaeckel nun Polizeischutz beantragt. Jaeckel forderte alle Bürger auf, stärker gegen Fremdenfeindlichkeit vorzugehen: „Lichterketten allein reichen nicht aus“.
Genau das meint auch das Lübecker Bündnis gegen Rassismus. Der rechtsextreme Hintergrund der Tat „darf nicht verschleiert und keine Einzeltäter-Legenden“ erdichtet werden. Gleichzeitig kündigte das Bündnis an, sich an Mahnwachen vor der Synagoge zu beteiligen und rief zusammen mit Parteien, Kirchen und Gewerkschaften für den heutigen Sonnabend zu einer Protest-Demo ab 11.30 Uhr auf dem Markt auf.
Unter dem Motto „Eine Stadt hält den Atem an“ soll Lübeck heute von 11.55 bis 12.00 Uhr innehalten. Selbst Autofahrer sind aufgefordert, anzuhalten und den Motor abzustellen. Die Zufahrten in die Stadt werden für diesen Zeitraum unterbrochen. Lübecks Kirchen wollen die Klageglocken ertönen lassen.
„Entsetzt über dieses Signal haßerfüllter Gemeinheit“ zeigte sich auch der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit in Hamburg, Siegfried von Kortzfleisch. „Nach diesem abscheulichen Verbrechen darf Gleichgültigkeit nicht aufkommen“.
Gestern mittag nahm eine 30köpfige Sonderkommission der Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf. „Starke Vermutungen sprechen dafür, daß die Täter aus der rechtsradikalen Szene kommen“, sagte Generalstaatsanwalt Heribert Ostendorf. Er gehe davon aus, daß der Anschlag eine „Fortsetzung früherer jüdischer Vernichtungsaktionen im Nationalsozialismus“ sei.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Lübeck gibt es bisher noch keinen konkreten Verdacht. Die Kripo überprüfte in der rechten Szene Alibis, erklärte der leitende Staatsanwalt Günter Möller. Die Ursache für den Brand sei ebenfalls noch nicht genau geklärt, das Feuer sei aber sehr wahrscheinlich auf einen Molotowcocktail zurückzuführen. Eine nicht explodierte Flasche mit brennbarer Flüssigkeit wurde auf der Holztreppe der Synagoge gefunden.
Unterdessen haben natürlich auch alle möglichen PolitikerInnen in Hamburg und Schleswig-Hol-stein sowie die Nordelbische Evangelische Kirche das Attentat in Lübeck verurteilt, Rassismus, Antisemitismus und Fremdenhaß gegeißelt und jüdische MitbürgerInnen ihrer Solidarität versichert.
smv/epd/lno
(Weitere Berichte S. 1 und 3)
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