: Schweinepest bringt Bauernminister ins Schwitzen
■ Niedersächsische Landesregierung stellt sich mit EU-Kritik selbst ins Abseits
Karl-Heinz Funke gibt sich gern bauernschlau. Der gelernte Lehrer und Bauer galt in der rot-grünen Regierung in Niedersachsen als die Zugnummer bei den Landwirten. Jetzt hat sich der Landwirtschaftsminister mit seinem Vorgehen bei der gefährlichen Schweinepest offensichtlich ins Abseits manövriert. Den lautstarken Tönen Funkes gegen die Europäische Union (EU) in Brüssel mochten am Freitag weder der Bundeslandwirtschaftsminister noch Funkes SPD-Kollegen in anderen Bundesländern folgen. Er selbst mußte klein beigeben und stimmte am Freitag notgedrungen der Umsetzung des EU-Embargos für niedersächsische Schweine zu.
Selbst in der eigenen Regierung verliert Funke an Rückhalt. In der Pose des Bauernführers schlägt Funke seit Monaten unterschwellig europafeindliche Töne an. Er drohte, man werde eine Handelssperre der EU für niedersächsische Schweine nicht befolgen.
Ursache des Konflikts ist das Scheitern bei dem Versuch, in Niedersachsen die Schweinepest einzudämmen. Im westlichen Niedersachsen leben in zahllosen Riesenställen mehr Schweine als an irgendeinem anderen Fleck der Erde. Die Interessen der Großmäster bestimmen hier den Lauf der Dinge.
Nach Lesart Funkes liegt die Schuld für die Probleme mit der gefährlichen Scheinepest nicht im eigenen Lande, sondern vor allem bei der EU, weil sie das Impfen nicht zuläßt. Doch am Dienstag muß Funke im Kabinett ausgiebig vortragen, wie die Schweinepest denn nun wirksam bekämpft werden soll. Dahinter steckt die Sorge, Funke sähe sich zu sehr als Interessensvertreter der Mäster.
Die saubere Quarantäne der Sperrbezirke ist von Beginn an offenbar nicht vollständig gelungen. Immer wieder kamen Gerüchte über Mauscheleien hoch. Im Dezember bereits sind erste Verdachtsmomente aufgetaucht, aus den Sperrbezirken könnten illegal Schweine in andere Länder verschoben werden. Erst jetzt bemühte sich das Landwirtschaftsministerium um schärfere Kontrollen. Während Funke einen „Handelskrieg“ mit Brüsseler Hilfe gegen Niedersachsens Schweinemäster ausmacht, wird in anderen Bundesländern Kritik an Niedersachsen laut.
Baden-Württemberg etwa ist erbost: Der Unfall eines Transporters brachte zufällig ans Tageslicht, daß aus niedersächsischen Sperrbezirken Schweine ins „Ländle“ gebracht wurden. Sichtlich hilflos meinte Funkes Pressesprecher am Freitag zum Auftauchen der Schweinepest in Sachsen, es sei nicht bewiesen, ob dafür Schweine aus Niedersachsen verantwortlich seien. Den Ernst der Lage immerhin mußte Funke am Freitag selbst erkennen. Aus Bonn wurde er zu einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz nach Hannover zurückbeordert.
Busemann/Möser(dpa)
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