: Weltweit kein Giftmüllexport
■ Ab 1998 ist auch der Export von Giftmüll zum Recycling verboten
Exporte gefährlicher Abfälle aus den OECD-Staaten in die übrige Welt sind ab 1. Januar 1998 ausnahmslos, auch zum Zwecke des „Recycling“, verboten. Bis zu diesem Datum dürfen gefährliche Abfälle nur noch unter strikten Kontrollen und nur in diejenigen Staaten außerhalb des OECD-Bereichs transportiert werden, die ihre Bereitschaft zum Import zuvor beim Sekretariat der „Basler Konvention“ von 1989 anmelden. Diese historische Entscheidung trafen gestern die bislang 64 Vertragsstaaten der 1989 in Basel vereinbarten „Konvention zur Kontrolle des grenzüberschreitenden Transports gefährlicher Abfälle und ihrer Beseitigung“ zum Abschluß ihrer Genfer Konferenz. Der Export von Gefahrenmüll zum Zwecke der Endlagerung war bereits seit Inkrafttreten der Konvention weltweit verboten.
Das ausnahmslose Exportverbot, das einige Industriestaaten unter der Federführung Deutschlands in den ersten Tagen der Konferenz noch mit allen Mitteln zu verhindern suchten, wurde schließlich im Konsens beschlossen. Diese Entwicklung zeichnete sich spätestens ab, nachdem die Europäische Union am Donnerstag abend auf einer Sondersitzung der zwölf Umweltminister in Brüssel ganz offiziell auf die Linie der in der „Gruppe der 77“ organisierten Staaten des Südens sowie der meisten osteuropäischen Staaten (Polen, Rumänien, Tschechische Republik, Estland) einschwenkte, und deren Forderung für ein Totalverbot unterstützte. Zu Konferenzbeginn am Montag hatte die EU als ihre gemeinsame Position noch ein Verbot mit zahlreichen Ausnahmemöglichkeiten vorgeschlagen. Doch angesichts der entschiedenen Haltung der Gruppe der 77 und der osteuropäischen Staaten, die sich auch durch Bestechungsversuche nicht auseinanderdividieren ließen, bröckelte die gemeinsame EU-Front schnell. Noch am Montag sprachen sich die Dänen, später dann Italien, die Niederlande, Frankreich, Spanien und Belgien für ein lückenloses Exportverbot aus. Deutschland und Großbritannien waren schließlich in der EU isoliert. Weil sie nach dem EU-Schwenk alleinestanden, gaben gestern schließlich auch Japan, Kanada, Australien und Neuseeland ihren Widerstand gegen ein lückenloses Exportverbot auf.
Die USA, die – als einiges OECD-Mitglied neben Deutschland – die Basler Konvention zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert haben, äußerten sich nach der gestrigen Entscheidung nicht. Vertreter von „Greenpeace“, die mit Rede- und Antragsrecht, allerdings ohne Stimmrecht, an den nicht öffentlichen Beratungen der Konferenz teilnahmen, äußerten die Einschätzung, Washington werde sich an den in Genf erzielten Konsens halten.
Möglicherweise beruhigt die USA auch, daß Mexiko bald Mitglied der OECD sein könnte und damit ein Hauptmarkt für den US- amerikanischen Giftmüll erhalten bleibt. Mexiko hat sich gestern mit der OECD über einen Beitritt geeinigt. Ein Abkommen über die Beitrittsbedingungen soll zum 4. April unterzeichnet werden. Bis zur vollen Mitgliedschaft, die mit der Hinterlegung der Vertragsurkunden in Kraft tritt, kann Mexiko als Beobachter an den Arbeiten der Organisation teilnehmen.
Offensichtlich in der Hoffnung, die Entscheidung für ein lückenloses Exportverbot doch noch verhindern zu können, hatten Mitglieder der deutschen Delegation in den letzten Tagen in Genf die Befürchtung gestreut, Washington könne die Ratifikation der Konvention verweigern. Die deutsche Delegation kritisierte zudem, sie nur gemeinsame Haltung der G- 77-Staaten sei nur durch „erheblichen politischen Druck“ entstanden. Staaten der „Dritten Welt“ die auch künftig zum Import gefährlicher Abfälle aus dem OECD-Bereich bereit wären, seien in Genf entweder nicht anwesend gewesen oder aber mundtot gemacht worden. Auf Nachfrage konnten die Deutschen als einziges Beispiel jedoch lediglich Indien anführen. Deren Umweltminister habe dem Bonner BMU- Staatssekretär Stroetmann vor einigen Monaten angeboten, eine in Deutschland geplante Abfallverwertunganlage statt dessen in Indien zu bauen und die deutschen Abfälle dorthin zu exportieren.
Der Experte für Müllhandel in der internationalen Greenpeace- Zentrale in Amsterdam, Kevin Stairs, erklärte laut der Dritte- Welt-Nachrichtenagentur Inter Press Service (ips), „am Rande des Genfer Treffens hätten mindestens vier Länder, namentlich Deutschland, Australien, Kanada und die USA, versucht, wirtschaftlichen Druck auf Delegierte aus den Entwicklungsländern auszuüben“. Mit „heimlich zugesagten Sonderkonditionen“ hätten diese Staaten versucht, ein Totalverbot des Handels mit Giftmüll zu verhindern. „Nennen sie das Bestechung, wenn sie so wollen, denn das ist es“, zitiert ips Stairs. Greenpeace wertete die gestrige Entscheidung als einen „historischen Sieg für weltweite Umweltgerechtigkeit“. Diesmal hätten „die reichen Staaten nicht die politischen Karten in der Hand gehalten“ und „lernen müssen, was es heißt, in der Minderheit zu sein“.
Endlich, heißt es in einer Erklärung der Umweltschutzorganisation, werde „das Schlupfloch für Müllexport unter dem Vorwand des Recyclings gestopft. Dieser Erfolg sei wesentlich der Gruppe der 77, Dänemark und China zu verdanken. Tatsächlich hat Greenpeace selber eine entscheide Rolle bei der Herbeiführung der gestrigen Entscheidung gespielt. Seit Verabschiedung der Basler Konvention vor fünf Jahren führte die Organisation eine intensive Kampagne für ein totales Exportverbot. Von den rund 400 Millionnen Tonnen gefährlichen Mülls, die jährlich weltweit produziert werden, fallen laut der UNO-Umweltorganisation 98 Prozent in den bislang 24 OECD-Ländern an. Nach Verabschiedung der Basler Konvention hatten die Staaten Afrikas und Lateinamerikas mit zunehmend strikter überwachten Importverboten die Einfuhr von Müll aus dem OECD-Bereich immer erfolgreicher unterbinden können. Asien und – seit dem Fall der Berliner Mauer – Osteuropa wurden daraufhin zu Hauptimportgebieten für den Müll aus den nördlichen Industriestaaten.
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