■ Standbild: Soso, hmhm...
„Können Politiker klüger werden?“, So., 20.45 Uhr, NDR
Daß Politiker lernen können, klingt natürlich wie ein Witz, war aber seriöses Thema im Öffentlich-Rechtlichen: Als sei der Gral gefunden worden, gab der NDR stolz bekannt, den „Beratergesprächen“ der Ministerpräsidenten Schröder, Gerhard, und Vogel, Bernhard, beigewohnt zu haben. Politiker und Experten in geheimer Runde vereint, Handelnde und Wissende, Verantwortungsträger und Analytiker. Soso, hmhm...
Schnell trat die trübe Wahrheit zu Tage: Augenbrauen- Schröder inmitten von Mannen zwischen fünfzig und sechzig, einer erschöpfter als der andere. Hornbrillen-Vogel umringt von weißhaarigen, ebenfalls nur männlichen Bedenkenträgern; die unvermeidlichen Bücher im Hintergrund, die unverzichtbaren Wasserflaschen auf dem Tisch. Es handelte sich, was nach diesen Bildern nicht mehr überraschen konnte, nahezu ausnahmslos um Professoren der Politik (einer Wissenschaft also, die ihren Wurmfortsatzstatus nie überwunden hat), die mit schwacher Stimme wenig Überraschendes zu sagen hatten: daß die west- und ostdeutschen Probleme „durchaus“ miteinander zu tun hätten beispielsweise, oder daß nach „überwölbenden Lösungsstrategien“ gesucht werden müsse.
Der gute Oscar Negt ließ sich nicht lumpen und schlug gar die Beine übereinander, und den libertären Ausreißer im Durchkrawattierten gab ein Pädagogik-Professor in schwarzer Strickjacke. Ansonsten: semantisches Füllmaterial, schülerhafte Kameraführung, klägliche Dialoge („Wo sind denn die Unterlagen?“ „Sind angefordert.“ „Sie wissen ja: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.“) Schön, niemand hat einen Montaigne als Politikberater erwartet, aber – um bei den Männern zu bleiben – ein Walter Boehlich hätte vielleicht Fundierteres zur Kulturnation zu sagen gewußt, Luhmann zum Expertenwesen und Habermas zur Lebenswelt, Schiffauer Interessanteres zur Integration, Andre Gortz Besseres zur Krise der Arbeitsgesellschaft. „Wir müßten also sozusagen“, hieß es bei den Sozialdemokraten, „einen zweiten Reformschub anleiern.“ Braucht es für solche Sätze Experten?
Dem Vernehmen nach hat sich der niedersächsische Landwirtschaftsminister in seiner aktuellen Politik von vier Cloppenburger Hausschweinen beraten lassen. Das scheint uns die bessere Lösung. Elke Schmitter
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