Fernsehkette gegen Regentschaft...

Italiens siegreiche Rechte rangelt intern um die Macht / Die unterlegene Opposition leckt sich die selbstverschuldeten Wunden / Ende der Anti-Mafia-Bewegungen?  ■ Aus Rom Werner Raith

Im Wahlkampf hatte Silvio Berlusconi die einfache Anweisung seiner Berater strikt durchgehalten: Keine direkte Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, keine Diskussion mit kritischen Fragern, nur den Strahlemann herauskehren, Versprechungen machen und auf seine Erfolge hinweisen. Das erweist sich nun, nach dem Champagnerrauschen, als Hindernis. Nicht gewohnt an die direkte Konfrontation, scheint der ewig lächelnde Medienherrscher und Großunternehmer mehr auf der Flucht denn in zähen Verhandlungen. Sein eigentlich für sofort nach der Wahl angesetztes Treffen mit dem Führer der oberitalienischen „Ligen“, Umberto Bossi, verschob er; die für Dienstag abend angesetzte Pressekonferenz zum Wahlausgang sagte er ab. „Der muß“, flüstert ein PR-Mann seines Stabes, „seinen Text erst noch lernen.“

Mit dem knochigen Bossi kommt Berlusconi noch schlechter zurecht als mit unbequemen Reportern. Berlusconis erster Schachzug verfing nicht: Er hat angeboten, einen seiner drei Fernsehkanäle zu verkaufen – wenn Bossi ihm dafür erlaubt, die Regierung zu bilden. Doch Bossi knurrte nur „viel zu wenig“.

Berlusconi und Faschisten zahlen jeden Preis

Dennoch zeigen andere „Ligisten“ bereits eine deutliche Neigung zu einem Regierungsbündnis mit Berlusconi auch unter Einschluß der Neofaschisten. „Liga“-Ideologe Gianfranco Miglio zum Beispiel möchte die „vielleicht einmalige“ Situation voll ausnutzen, „daß da einer ist, der unbedingt Ministerpräsident werden will, und eine Partei, die unbedingt in die Regierung kommen muß, um die jahrzehntelange Isolation der Neofaschisten endlich zu beenden“, – und beide nach Miglios Einschätzung bereit sind, nahezu jeden Preis dafür zu bezahlen.

Der Preis, den die Ligen fordern, ist für Miglio der Föderalismus „zumindest in dem Maße wie in Deutschland“. Was bei ihm allerdings vor allem Wirtschaftsföderalismus unter kräftiger Abkoppelung der reichen Lombardei bedeutet.

Die Auseinandersetzung innerhalb der Rechten um die Regierungsbildung bindet derzeit fast die gesamte Aufmerksamkeit der italienischen Öffentlichkeit. Völlig aus dem Blickfeld verschwunden ist dagegen die geschlagene Linke. Bei den „fortschrittlichen“ Parteien hat noch nicht einmal die Analyse der Wählerbewegungen begonnen.

Dabei geben alle Ergebnisse „weit über die Besorgnis dem Rechtsruck gegenüber noch zu viel größeren Sorgen Anlaß und müßten eine intakte Opposition geradezu elektrisieren“, wie selbst die betuliche New York Times erkannte. So sind nicht nur die Grünen praktisch völlig verschwunden – sie scheiterten an der Vierprozentklausel und haben nur noch eine Handvoll über die Gemeinschaftsliste gewählter Abgeordneter im Parlament. Schlimmer noch bei den Christdemokraten: Ihr Chef Mino Martinazzoli erklärte prompt seinen Rücktritt.

Nur 150.000 Stimmen für Orlandos „La Rete“

Auch die Antimafiabewegung des noch im Sommer vorigen Jahres mit Dreiviertelmehrheit zum Bürgermeister von Palermo gewählten Leoluca Orlando ist faktisch auf Null reduziert. Gerade 150.000 Stimmen bekam „La Rete“ in ganz Sizilien noch, ein Drittel der Stimmenanzahl, die Orlando seinerzeit alleine in Palermo erzielte. Bisher umjubelte Führungsfiguren des Antimafiakampfes – darunter der „Vater“ der Sondereinheit zum Kampf gegen die Mafia, Caponetto, und der Chefredakteur der Antimafia-Zeitung I siciliani – fielen glatt durch. Pleiten der Antikorruptionsbewegung aber auch in Oberitalien, wo Nando Dalla Chiesa, der voriges Jahr nahezu 40 Prozent aller Mailänder Stimmen bei der Bürgermeisterwahl eingeheimst hatte, sein Mandat verlor.

Bestätigt sieht sich dadurch der – gerade noch knapp gegen die völlig unbekannte Witwe eines verunglückten Fußballspielers durchgekommene – Luciano Violante von den „Linksdemokraten“, den eine Presseintrige unmittelbar vor der Wahl von seinem Posten als Präsident der Antimafiakommission des Parlaments vertrieben hatte: Seiner Einschätzung nach hat die Mafia an ihre Mitglieder die Devise ausgegeben, man solle Berlusconis „Forza Italia“ oder sogar die Neofaschisten wählen.