Heute Berlin, morgen die weite Welt

■ Mit Norddeutschlands Christdemokraten auf Transrapid-Erlebnistour Von Marco Carini

„Wir wollen mit Fahrten wie dieser politischen Druck erzeugen“, gibt Ole van Beust, Chef der Hamburger CDU-Fraktion, das Reiseziel vor. Die Christdemokraten haben geladen: Per Bus lassen sie zwei Dutzend Journalisten (das -Innen kann Mann in diesen Zeilen aufgrund der männlichen Zahlen-Dominanz unter den Kollegen getrost vergessen) zur Transrapid-Strecke ins Emsland kutschieren. „Vorurteilsfrei informieren“ heißt die ausgegebene Devise.

Dabei helfen uns jede Menge Hochglanz-Werbebroschüren und -filmchen der Transrapid-Betreiber, deren Spitzenfunktionäre und PR-Strategen ebenfalls mit an Bord sind. Auch die gemeinsame Transrapid-Jubelerklärung der CDU-Fraktionschefs von Hamburg, Niedersachsen (Christian Wulff) und Mecklenburg-Vorpommern (Eckehardt Rehberg), die ebenfalls zum Reisetroß gehören, ist längst verfaßt, darf aber erst verteilt werden, nachdem sich Christdemokraten und Journalisten „vorurteilsfrei informiert“ haben. „Andersherum würde das doch einen komischen Eindruck vermitteln“, gibt der Pressesprecher der Elb-CDU, Gert Boysen, zu bedenken.

Die mitreisenden Transrapid-Manager sind gedanklich schon in ferner Zukunft. Hinter vorgehaltener Hand zeigen sie den fortschrittsbegeisterten Christdemokraten Pläne einer Transrapidstrecke, die bis nach Wien und auch nach Prag führt: „Man wird doch mal träumen dürfen“. Über eine Linienführung bis ins ferne St. Petersburg wird getuschelt. „Exportpakete schnüren“, heißt das Motto. Doch das ist nichts für die versammelte Journaille. Würde die doch gleich wieder auf die Idee kommen, daß es hier nicht um sinnvolle Verkehrspolitik für den norddeutschen Raum geht, sondern nur um Industriepolitik zum Profit einiger Konzerne.

2004, so lauten die offiziellen Planungen, soll der Transrapid zwischen Berlin und Hamburg seinen Betrieb aufnehmen. Doch Heinz-Werner Schwarz, Geschäftsführer der Magnetschnellbahn Berlin-Hamburg GmbH, hat längst der transrapide Geschwindigkeitsrausch gepackt. „Wir müssen früher fertig sein und bereits 2002 Passagiere befördern“, verkündet er einem Radio-Reporter ins Mikrophon. Und schwärmt anschließend, bei ausgeschaltetem Mikro, von einem Gespräch mit Hamburgs Bürgermeister Henning Voscherau: Dessen klares Bekenntnis zur Transrapid-Strecke habe ihm imponiert. Daß die Hamburger Verkehrsexperten der SPD gegen das Projekt sind? Schwarz hat da keine Befürchtungen. „Wir haben doch bei den Koalitionsverhandlungen gesehen, wie gut der Bürgermeister seine Partei im Griff hat“.

Der Weg zum Komfort ist manchmal beschwerlich. Sieben Stunden lang braucht der von den Christdemokraten gecharterte Bus, um zur Emsländischen Teststrecke und wiederum zurück in die Hansestadt zu rollen. Das zieht. Denn in der Halbzeitpause der siebenstündigen Autobahntortur mit schmerzlich geringer Beinfreiheit läßt sich die Transrapid-Testfahrt so richtig genießen. Bequeme Sitze, breite Gänge, relativ ruhige Fahrt.

Wir beschleunigen auf exakt 419 Kilometer. Es ruckelt ein bißchen, bei der Fahrt über eine Weiche testet die „Querbeschleunigung“ die Standfestigkeit der stehenden Kollegen, und in den Kurven legt sich der Schwebepfeil quer wie ein Achterbahn-Wagen. Doch das alles soll auf der Strecke zwischen Hamburg und Berlin ganz anders sein, verspricht Rüdiger Fürst, stellvertretender Betriebsleiter der Versuchsstrecke. Ansonsten schwebt der Magnetpfeil trotz Höllentempo sanft dahin. „Ein Erlebnis“, freut sich Ole van Beust und wartet darauf, ob die versammelte Journalistenschar auch brav nickt.

Anschließend: Fragestunde bei Erbsensuppe. Ole van Beust, in Hemdsärmeln, ohne Krawatte und wie immer mit einer Gesichtsfarbe, als wäre er allein im Besitz der einzig wirksamen Selbstbräunungs-Creme, gefällt sich in der Rolle des Moderators. Seine Kollegen Wulff und Rehberg verkommen zur Staffage. Mit dem geschniegelten Charme des Jungdynamikers gibt er den Transrapid-Managern die richtigen Stichworte. Nachdem er sich im Vorfeld bei Rüdiger Fürst versichert hat, daß das zeitweilige „Ruckeln“ während der Fahrt bis zur Einweihung der Trasse Hamburg-Berlin „technisch in den Griff“ zu bekommen ist, stellt er noch einmal – betont kritisch – vor der versammelten Journaille dieselbe Frage. Und freut sich über die erwartete Antwort.

Bei soviel Zukunftseuphorie macht es fast gar nichts, daß fast alle kritischen Einwürfe unbeantwortet bleiben. Die Fragen nach der Anbindung der Transrapid-Trasse an die Innenstädte von Hamburg und Berlin oder nach finanziellen Zusatzbelastungen für die beiden Metropolen bleiben unbeantwortet.

Immerhin muß Rüdiger Fürst einräumen, daß der Transrapid extrem sabotageanfällig ist. „Wenn jemand die Stelzen der Trasse sprengt, ist die Katastrophe da“, gibt Fürst zu: „Dagegen können wir uns nicht schützen“. Bei sechs Kilometern Bremsweg bliebe dem Chauffeur, der eh nur zur „psychologischen Beruhigung der Fahrgäste“ des zentral gesteuerten Transrapid dient, keine Chance.

Doch schon ein vom Blitzschlag oder Orkan auf die Trasse geschleuderter Baum kann zum existentiellen Problem werden. „Den fegt der Transrapid nicht einfach weg, dann kommt es zum Unfall,“ gesteht Fürst ein. Einzige Gegenwehr: ständige Kontrolle der Fahrtstrecke bei turbulenten Wetterlagen. Doch wie die auf 300 Kilometern zwischen den im Zehn-Minuten-Takt verkehrenden Schwebepfeilen funktionieren soll, bleibt das Geheimnis des Vize-Betriebsleiters der Teststrecke.

Doch solch kleinkarierte Detailfragen entscheiden für die CDU nicht über Sinn und Unsinn der Transrapid-Strecke. Wer das anders sieht, wird von Christian Wulff mit dem Begriff „Bedenkenträger“ belegt, was für ihn so etwa die Schreibtisch-Version des Berufsdemonstranten ist. Und Transrapid-Manager Schwarz ergänzt: „Durch immer neue Bedenken können wir unseren Wohlstand nicht halten“.

Das sehen auch die Christdemokraten so. In der Abschluß-Erklärung des CDU-Triumvirats wimmelt es von Schlagworten wie „historische Bedeutung“, „Zukunftsfähigkeit“ und „Optimallösung“. Soviel Fortschritts-Enthusiasmus wollen wir mit tragenden Bedenken dann doch nicht weiter stören.