: Wenns im Becken brummelt
■ Der „Groove Out Club“ bereist als mobile Jazzdiskothek die norddeutsche Steppe/ Heute abend mal wieder in der Neustadt
Ja, zum üblichen Diskobums dumm rumhopsen, alle vier Viertel kräftig aufs Parkett stampfen und dann noch lässig aus der Wäsche gucken - das können wir. Null Problemo. Einfach dem Auf- und Abwogen der Tekkno-Lemmingschar folgen, dann wird's schon leidlich gehen. Aber wie macht der Bremer, wenn's mal richtig groovt? Wenn der Baß nicht mehr bollert, immer schön in die Magengrube, sondern zärtlich brummt, irgendwo im Beckenbereich? Und wenn dann auch noch zickige Trompetensoli den gewohnten Marschrhythmus zerschmettern? Gar nicht so einfach - mancher tut sich jedenfalls noch schwer auf der Tanzdiele des Groove Out Club, der seit Februar die Bremer Tanzgemeinde missioniert. Nicht mit HipHopFunkFusionJazz oder ähnlich modischem Schwindel - nein: Der kleine Club singt noch das Lob des Originals; und also erschallen Herr Hancock, Herr Davis, Frau Franklin, wie wir sie liebten und lieben.
Und dazu läßt sich's tanzen - aber wie? „Das Bremer Publikum muß man eben langsam aufbauen“, sagt Michael Hartung. Zwar zeigten sich die Gäste der ersten Tanzabende, die im Partykeller der MIB in der Neustadt stiegen, recht aufgeschlossen und tanzwillig. Aber insgesamt ziert sich das Ausgehvölkchen noch. Vielleicht liegt's daran, argwöhnt Michael, daß unter dem Motto Dancefloor Jazz heuer alles Mögliche verramscht wird - „das sagen die Bremer doch zu allem, nur wenn's auf dem Plattencover draufsteht.“
Michael und die Seinen aber lieben den Jazz, den alten wie den neuen. Zusammen mit den beiden Bremer Nachwuchs-DJs Sebstian I und II hat er inzwischen mehrere tausend Scheiben gesammelt. Mit denen im Gepäck, und einer wundervollen Psychedelik-Diaschau, reist der mobile Club durch die Lande. Seit Frühjahr '93 tingelt das dynamische Trio zwischen Hamburg und Bremen umher. Zunächst „in ein paar uralten Hippieläden“, erzählt Michael; „einige sind aber tierisch auf uns abgefahren.“ Warum, das kann er nur ahnen: „Von Musik versteh' ich nicht viel“, bekennt der altgediente Trucker.
Irgendwann hat er als alter Rocker einfach sein Herz für die beseelten Grooves der Jazz- und Soulmusik entdeckt. Das Auflegen überläßt er den beiden Bremer Sebastians. S. Kobs ist nämlich, der Jazzleidenschaft des Vaters dank, „mit Coltrane aufgewachsen“. Und zum Jazz ist er, trotz gelegentlicher Ausflüchte in den Pop, immer wieder zurückgekehrt: „Jazz ist nie etabliert gewesen“, entsprechend vielseitig sei die Musik geblieben - und das will er jetzt auf den Clubabenden vermitteln.
Für Diskotheken ist Billie Holiday natürlich eigentlich viel zu schade. Aus Prinzip schlägt das Trio lieber dort seine Plattenteller auf, wo eigentlich niemand aufs Tanzen eingestellt ist. Im Falstaff z.B., der Theaterkneipe am Leibnizplatz. oder eben allmonatlich bei der MIB. Denn wenn der Saal dort irgendwann spätabends, auf wundersame Weise, doch noch zu grooven anfängt - dann ist das Bremer Nachtleben wirklich wieder einen Schritt weiter. tom
Samstag, 2.4., ab 22 Uhr im Buntentorsteinweg 112
hf tom
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen