: Bremens Wirtschaftsbilanz 1993 grau bis schwarz
■ BAW-Studie: Bremen liegt unter dem Bundesdurchschnitt
Alles geht runter, nur die Arbeitslosigkeit geht rauf, so könnte man die Bilanz zusammenfassen, die die wissenschaftliche Abteilung beim Bremer Wirtschaftssenator über das Jahr 1993 gezogen hat. 60 Seiten dick ist der Bericht des Bremer Ausschusses für Wirtschaftsforschung (BAW) zur Lage der bremischen Wirtschaft und alle Kurven, mit denen die Statistiken sinnfällig gemacht werden sollen, zeigen das selbe Bild: die dünne Linie (Bremen) liegt unter der dicken Linie (West-Länder). Nur wenn man die guten Jahre 1990/91 dazunimmt, ist das Bundesland nicht so hoffnungslos abgeschlagen wie Anfang der 80er Jahre.
Zum Beispiel, so hat Walter Heinemann, der Verfasser der BAW-Studie, ausgerechnet, schrumpfte die westdeutsche Ökonomie 1993 um 1,9 Prozent, die bremische um 2,6 Prozent. Bremen verlor 2,5 Prozent (8.000) seiner Arbeitsplätze, bundesweit waren es nur 2 Prozent. Der Hintergrund: Bremen hat von den allgemeinen Problembranchen besonders viele. 28 Prozent der bremischen Industrie-Beschäftigten arbeiten im kriselnden Fahrzeugbau, bundesweit nur 13 Prozent. Bei Stahl arbeiten in Bremen 7 Prozent, Bundesdurchschnitt sind 2 Prozent. Im Schiffbau arbeiten 8 Prozent der Bremer Industriearbeiter, bundesweit nur 0,4 Prozent.
Daß Bremen mit seiner aktuellen Arbeitslosen-Rate (12 Prozent) nur noch 47 Prozent über dem Bundesdurchschnitt liegt und nicht mehr um 90 Prozent (wie 1990), hat schlicht damit zu tun, daß Bremens Bevölkerung abnimmt – mehr Menschen ziehen weg als zu. Außerdem sind die BremerInnen nicht so sehr der Konkurrenz der „werktäglichen Berufspendler“ aus den neuen Bundesländern ausgesetzt sind Hessen oder etwa Bayern, deswegen stieg die Arbeitslosigkeit im West-Durchschnitt stärker als in Bremen.
Ein großes Problem ist, so Heinemann, daß Bremens Seehafenwirtschaft und die damit verbundene Dienstleistung auch schrumpft. So konnte der bremische Dienstleistungssektor nicht wie in anderen Großstädten den Rückgang der Industriearbeitsplätze wenigstens teilweise kompensieren.
Wenn es um die Perspektiven für die bremische Wirtschaft geht, dann sind die Formulierungen des Wirtschaftsressorts verdächtig oft mit dem Imperativ versehen: Die Anstrengungen müssen verstärkt werden, wenn nicht... Der einzige große Lichtblick in der Statistik ist der Flughafen: 42 Prozent wuchs der Pauschalreiseverkehr. Das unterstreicht den Nachholbedarf und die Bedeutung des Flughafens, bringt zwar wenig Wertschöpfung und für Bremen kaum Arbeitsplätze.
Selbst wenn es 1994 insgesamt zu einem Wirtschaftswachstum von einem Prozent kommen sollte, würde die Zahl der Arbeitslosen immer noch zunehmen. Die Bevölkerungsabnahme wirkt sich gleichzeitig negativ auf den Finanzausgleich aus: im Durchschnitt 7.000 Mark gehen dem Staatssäckel mit jeder EinwohnerIn verloren. Das ist für Wirtschaftssenator Claus Jäger ein Argument dafür, daß in den Landesgrenzen Bremens Bauflächen für Besserverdienende ausgewiesen werden müssen. Letztlich, so der Ökonom Heinemann, hat das bremische Finanzamt mehr von gutverdienenden Leuten, die in Bremen wohnen und in Niedersachsen arbeiten, als von denen, die in Bremen zwar zum Gewerbesteueraufkommen beitragen, aber in Niedersachsen ihren Steuer-Wohnsitz haben. K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen