: Soldaten-Sender verschwindet aus dem Äther
■ „American Forces Network“ stellt in diesem Jahr sein Programm ein / Nach dem Krieg war der Sender für viele Berliner eine Alternative zur drögen Volksmusik
Mit dem letzten amerikanischen Soldaten, der im September Berlin verläßt, endet zugleich ein Kapitel fast 50jähriger Rundfunkgeschichte in der Stadt. „American Forces Network“ (AFN), das populäre amerikanische Soldatenradio, verabschiedet sich mit dem Truppenabzug endgültig aus dem Äther.
Im Berliner AFN-Studio in der Saargemünder Straße in Zehlendorf wird allerdings schon vorher Funkstille herrschen, berichtet Station-Manager Greg Foss. Für die verbleibende Zeit wird via Satellit das AFN-Programm aus Frankfurt am Main für die Soldaten an der Spree ausgestrahlt.
Die letzte Sendung aus dem Berliner Studio wird voraussichtlich Mitte Juli über den Sender gehen: mit einer Retrospektive über die Geschichte Berlins und AFN. „Das bietet wahrlich genug Stoff. Schließlich ist an keinem Ort der Welt so viel geschehen wie in Berlin“, meint Foss zurückblickend. Zudem bescheinigt er AFN auch eine Pionierrolle in der deutschen Rundfunklandschaft.
Nachdem die Station 1945 auf Sendung ging, war sie lange Zeit die einzige, die sich mit Swing-, Beat- und Rockklängen vom deutschen Schlager- und Volksmusikprogramm abhob. Doch nicht nur die Hits der Everly Brothers, der Beatles, von Tina Turner oder Phil Collins tönten über die AFN-Wellen. Viele der Popstars saßen auch auf der Interview-Couch des Senders. Bei ihren Berlin-Besuchen statteten auch die US-Präsidenten John F. Kennedy, Jimmy Carter und Ronald Reagan dem Soldatensender eine Visite ab. Die Liste der Prominenten vor dem AFN- Berlin-Mikro könnte nun vielleicht Präsident Bill Clinton abschließen, hofft Foss.
Sendeauftrag von AFN war es, für die in Berlin dienenden amerikanischen Soldaten den Kontakt zur Heimat aufrechtzuerhalten und ihnen die Stadt näherzubringen. Dennoch lief der Sender nicht nur in amerikanischen Kasernen. Auch Deutsche in West und Ost und sogar russische Soldaten stimmten ihren Empfänger auf die AFN-Frequenzen ab, bestätigt Foss. „Wir bekamen viele Postkarten aus Ostberlin“, erinnert sich der Army-Sergeant im Ruhestand. „Auf den meisten stand: Bitte spielen Sie Elvis Presley!“
Die amerikanische Rundfunkstation, dessen ist sich Foss sicher, beeinflußte nicht zuletzt die Programmstruktur vieler Privatsender, die in den achtziger Jahren in Deutschland entstanden. Diese hätten vor allem den bunten Musikmix des Senders kopiert.
Neben einem TV-Programm werden in der Berliner AFN-Zentrale täglich zwei dreistündige Hörfunksendungen produziert, mit Informationen für die Truppe und viel Musik. Der Manager des Berliner AFN-Senders nennt seine Tätigkeit einen „Traumjob“. Berlin würde er am liebsten gar nicht verlassen. „Die Berliner sind sehr freundlich und offen“, sagt er rückblickend. Auch bei den 35 anderen Mitgliedern des AFN-Teams ist eine etwas wehmütige Abschiedsstimmung zu spüren. Die Verbundenheit mit Berlin scheint Foss indes schon in die Wiege gelegt worden zu sein: Geboren wurde der 47jährige in New Berlin, einer kleinen Stadt im US-Bundesstaat Wisconsin. ADN/Anke Häring
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