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Hungernde Kinder an der Straße

■ Bremer Hilfskonvoi für Bosnien angekommen / Eine Begleiterin berichtet

„Das Schlimmste ist nicht die Zerstörung der Häuser oder der blinde Vandalismus“, sagt Elsbeth Rütten von der –Aktion Frauen und Kinder in Not Bosnien/Kroatie n–, „sondern die hungernden Kinder überall am Straßenrand“. Elsbeth Rütten hat einen gemeinsamen Konvoi der „Brücke der Hoffnung“ nach Bosnien begleitet, der Ostern über 40 Tonnen Hilfsgüter in Lukavaz, Tuzla und Doboj abgeliefert hat. „Angesichts der übergroßen Freude, die die Leute bei unserer Ankunft gezeigt haben, habe ich mich richtig geschämt – so begrenzt ist im Grunde die Hilfe, die wir leisten...“

Neun Tage lange war der aus acht Lkw's bestehende Transport, an dem sich außerdem noch die österreichische Organisation „Wir helfen“ beteiligt hat, von Wien aus unterwegs – für die Rückfahrt brauchte er zwei Tage. „Wir haben an den Grenzen, auch schon an der ungarischen, insgesamt 54 Stunden warten müssen – wir sind zwar nicht offen behindert, aber dennoch sehr, sehr langsam abgefertigt worden“, berichtet Elsbeth Rütten. In Belgrad mußten zudem noch unter einigen Schwierigkeiten 150.000 eingelagerte Haushaltspakete aus Bremen, noch Überreste des Konvois im Dezember, losgeeist werden, um an ihren Bestimmungsort zu gelangen. Dann ging es über eine „Strecke der Verwüstung“ nach Doboj ins serbisch besetzte Bosnien – um die Bedingung der Serben für eine Reise durch deren Gebiete zu erfüllen: nämlich die Hälfte der für Bosnien bestimmten Hilfsgüter in Serbisch-Bosnien abzuliefern. „Diese Hälfte ging allerdings nicht ans Militär, sondern in bosnisch-serbische Flüchtlingslager“, so Rütten, „da konnte ich mit leben“. Beim Ausladen hätten aber bosnische Kriegsgefangene „in sehr schlechtem Zustand“ helfen müssen.

Um ins 55 Kilometer entfernte Tuzla zu gelangen, mußte der Konvoi anschließend einen Umweg von über 200 Kilometern machen –abermals vorbei an „hügelweise aus den Häusern geschlepptem Zeug“, das vernichtet worden war. Beschossen wurden die von einem UNO-Panzer begleiteten Lkw's im Kriegsgebiet allerdings kein einziges Mal – Rütten: „Meine kugelsichere Weste hatte ich nicht mitgenommen, die hilft gegen Gewehrschüsse sowieso nicht.“ Am Straßenrand lagernde Cetniks hätten als Zahlungsmittel für die Passage höchstens einmal Kaffee verlangt.

In Lukavac und Tuzla, den Städten ohne Elektrizät und Fenster, dafür mit Granateneinschlägen überall, konnten die BremerInnen und WienerInnen dann schließlich Milchpulver, Mehl, Öl, Zucker, Hilfsgüter für die Zahnmedizin, Rollstühle, Krücken und Medikamente abliefern. „Der schlimmste Hunger kommt wie im letzten Jahr wohl erst im April und Mai“, meint Andrea Frohmader von der –Brücke der Hoffnung–, „wenn die Vorräte restlos verbraucht, aber noch nichts Neues gewachsen ist“. Der siebte Bremer Transport ist bereits nach Bosnien unterwegs – 180 Tonnen Mehl, Öl und Zucker sind nach Split geschickt worden. „Unserer Erfahrung nach gibt es so etwas wie einen Korridor zwischen Split und Tuzla, dort wollen wir eine Art Pendelverkehr einrichten“, so Frohmader. Dringend benötigt werde jetzt vor allem Saatgut, um die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln aus Bosnien wieder zu ermöglichen. skai

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