Sanssouci
: Nachschlag

■ „Ein Hund in der Tanzstunde“ – Stükke-Erstaufführung

Das Besondere an diesem Stück ist, daß es gewissermaßen gar kein Stück ist. Es hat zwar einen vielversprechenden Titel, verfügt über vier Rollen, beinhaltet Monolog und Dialog, doch fügen sich die Teile nicht zusammen. Es gibt einfach keine Geschichte. Natürlich ist gerade das die Geschichte. Es ist ein Stück über ein Stück, das kein Stück geworden ist. Wie fünf Seiten Pirandello plus zweieinhalb Seiten Handke plus zehn Zeilen Theorie der Dekonstruktion. Deswegen läßt der junge Amerikaner David Greenspan auch anfangs einfach eine Schauspielerin auf der Bühne warten und sagen: „Ich stehe einfach da und warte.“ Deswegen erzählt später der Autor X am Telefon seiner Geliebten, daß er dabei ist, ein Stück zu schreiben über einen Mann, der mit seiner Geliebten über ein Stück telefoniert. Deswegen brüllen die Figuren „Wir sind nicht im selben Drama“, erkundigen sich, mit welcher Rolle sie sich identifizieren sollen, fordern „Klarheit“ und fragen forsch, „wann diese Qual ein Ende“ hat.

Das ist übrigens wörtlich gemeint. Das Theaterspiel ist hier gleichzeitig auch Modell für ein uraltes Machtspiel, so ähnlich wie in Becketts „Katastrophe“. Der Autor ist Herr über seine Figuren, der Regisseur dressiert den Schauspieler, die Schauspieler kämpfen um ihre nackte Existenz. Catch-as-catch-can. Ein Meisterwerk der Dichtkunst ist das freilich nicht, aber immerhin ein recht pfiffig zusammengeklebter Haufen Papier, der für Interpretationen viel weiße Fläche läßt. Donald Berkenhoff, der Regisseur von „Stükke für die Großstadt“, hat diesen auskoloriert, sich für eine kunterbunte, fidele Variante entschieden. Mit Tempo jagt er seine vier Darsteller durch das Unstück. Husch, husch wechseln sie die Rollen, stehen mal nackt auf der schwarzen, kahlen Bühne, mal in grauen Trainingsanzügen, mal in Zivil. Man weiß nie, wer sie gerade sind: Schauspieler, Autor, Figur oder ein Passant, der sich hierher verlaufen hat? Auch die Spiegelwand im Hintergrund, auf der in Spiegelschrift „Nichts“ geschrieben steht, enthüllt keine tiefere Wahrheit. Genauso wie die Kurzeinlagen vom Mann mit dem Riesenpenis, der Frau mit der Peitsche, dem Stoffterrier am Klavier. Und schleicht da nicht der Regisseur Berkenhoff persönlich im Hintergrund über die Bühne? Und grinst? Wirklich enttäuschend ist bei alledem nur, daß der Titelheld nicht auftritt: ein Hund, der tanzen lernt. Was sollte er denn sonst in der Tanzstunde? Dirk Nümann

Weitere Vorstellungen: bis zum 8.5., täglich außer montags, 21Uhr, Stükke-Theater, Hasenheide 54, Kreuzberg