: Japans Öffnung gescheitert
Für westliche Handelspartner war Hosokawa ein Hoffnungsträger, der ihnen mehr Marktöffnung versprach, als er letztlich durchsetzen konnte ■ Von Donata Riedel
Berlin (taz) – Morihiro Hosokawa wollte die berüchtigte Japan AG entflechten. Bereits die Absichtserklärung, den Filz aus Bürokratie, Großkonzernen und Politik zu entwirren und das berüchtigte Miti (Ministerium für internationalen Handel und Industrie) zu entmachten, ließ den japanischen Noch-Premier bei westlichen Industriellen und Politikern zum Hoffnungsträger werden.
Westliche Exporteure beklagen sich bitter, daß ein Dickicht aus absurden Vorschriften und amtlichen Zuständigkeiten die Einfuhr ausländischer Güter nach Japan fast unmöglich macht. So muß Schwarzwälder Schinken für Japan zusätzlich zum Haltbarkeitsdatum mit dem Herstellungs- und dem Importdatum versehen werden. Eine Unzahl derartiger Schikanen bewirkt schließlich, daß der Schinken, der in Deutschland 80 Mark pro Kilo kostet, in Japan viermal so teuer ist. Legendär ist die Begründung des Miti, französische Skier im Inselstaat nicht zuzulassen: Japanischer Schnee sei eben anders als europäischer.
Die Exportorientierung bei gleichzeitiger Abschottung des Heimatmarktes brachte Japan Devisen und Wohlstand, gleichzeitig aber auch das welthöchste Preisniveau bei Konsumgütern und einen im Vergleich zu anderen reichen Industriestaaten geringeren Lebensstandard. Allerdings konnte auch das Miti nicht verhindern, daß Japan 1993 in die Konjunkturflaute geriet: Das Bruttosozialprodukt schrumpfte um 0,3 Prozent und wäre ohne Konjunkturprogramme sogar um 1,5 bis 2 Prozent abgesackt.
Als Hosokawa sein großes Deregulierungsprogramm ankündigte, war sogar US-Präsident Bill Clinton begeistert. Sechs Monate lang hielt er sich mit Drohungen zurück, Japans Marktöffnung notfalls durch Handelsschranken gegen japanische Importe in den USA zu erzwingen.
Das Deregulierungsprogramm, bei dessen Ausarbeitung erstmals auch die ausländischen Handelskammern Vorschläge machen durften, sah vor, 500 Gesetze zu vereinfachen oder abzuschaffen. Im Finanzdienstleistungsbereich, bei der Produkthaftpflicht und bei Lebensmittelgesetzen hofften westliche Unternehmer auf Erleichterung für ihre Geschäfte.
Sogar den Reismarkt öffnete Hosokawa erstmals für Importe und erfüllte damit eine wichtige Voraussetzung für den Abschluß der Gatt-Verhandlungen zur Liberalisierung des Welthandels. Dabei kam dem Premier das Wetter zur Hilfe. Es hatte den japanischen Bauern eine derart schlechte Ernte beschert, daß der Zukauf des wichtigsten Grundnahrungsmittels ohnehin nötig geworden wäre.
Ansonsten aber nahm die Unterstützung für Hosokawa im In- und Ausland beständig ab. Nur mit Mühe konnte er die Acht-Parteien-Koalition Anfang Februar auf ein weiteres Konjunkturprogramm einschwören. Umgerechnet 154 Milliarden Mark für Investitionen und Kredite enthält diese vierte und größte Finanzspritze gegen die Rezession, dazu Steuererleichterungen im Wert von 88 Milliarden Mark.
Die Entscheidung, woher die zusammen 242 Milliarden Mark kommen sollen, mußte die Regierung jedoch vertagen. Hosokawas Vorschlag, ab April 1997 die Mehrwertsteuer von drei auf sieben Prozent anzuheben, lehnten die Sozialdemokraten ab: Diese Steuererhöhung hätte die ärmeren Bevölkerungsschichten am härtesten getroffen.
Zu seinem Gipfeltreffen mit Clinton fuhr Hosokawa anschließend bereits leicht angeschlagen – und handelte sich ausgerechnet in Washington die nächste Schlappe ein. Weil Hosokawa das Miti nicht brüskieren und den Amerikanern keine festen Zielgrößen für ihre Einfuhren nach Japan versprechen wollte, ging Clinton auf Konfrontationskurs. Und holte das schwerste Geschütz für den Handelskrieg aus der Waffenkammer: die Super- 301-Klausel, mit der Strafzölle gegenüber des Dumpings verdächtigten Staaten verhängt werden können.
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