: Willkommen in den siebziger Jahren -betr.: "Darf Rep-Funktionär Polizist bleiben?", taz vom 7.3.94
Betr.: „Darf Rep-Funktionär Polizist bleiben?“, taz vom 7.3.
(...) Ich hatte gehofft, daß gerade die Kreise, die unter der früheren Verbotspolitik zu leiden hatten, für sich daraus die Lehre gezogen haben, daß diese Art des Umgangs mit politisch Andersdenkenden eines politischen Menschen unwürdig ist.
Aber weit gefehlt. Dieselben Kräfte, die maßgeblich an der Konstruktion des Radikalenerlasses beteiligt waren, stellen wieder Überlegungen an, wie die Gedanken und Meinungen eines Menschen disziplinarrechtlch sanktioniert werden können, nur mit einer anderen politischen Stoßrichtung. Daß sich diesbezüglich nichts ändern würde, dürfte Jedem/Jeder vorher klar gewesen sein. Umso schlimmer ist es, daß sich sogenannte „Linke“ vor den Karren eben der Kräfte spannen lassen, die für ihre eigene Ausgrenzung verantwortlich waren und mit diesen nach harten Disziplinarmaßnahmen, bis hin zur Entlassung, schreien. (...)
Die Grenzen der politischen Betätigung der Beamten, auch die eines, der Mitglied bei den Reps ist, sind im Beamtenrecht geregelt und sind bei Dienstverfehlungen ebenso auf ihn anzuwenden, wie auf jeden anderen Beamten. Diese Dienstverfehlungen setzen nur typischerweise eine Handlung voraus, sodaß gewährleistet ist (sein sollte), daß jemand, der die Trennung zwischen seiner politischen Einstellung und beruflichen Betätigung beherrscht, disziplinarische Sanktionen nicht zu fürchten hat. Dies bedeutet, solange sich die politischen Ansichten des Beamten nicht in seinem Verhalten im Dienst widerspiegeln, hat er ein Recht darauf, Beamter zu bleiben.
Anders scheint hier der Fall des Polizisten Riedemann zu liegen, da sich Kollegen geweigert haben, weiterhin mit ihm zu arbeiten. Eine solch schwerwiegende Entscheidung, mal unterstellt, sie entspricht den Tatsachen, fällt man/frau nur aufgrund von Handlungen oder Äußerungen des Betreffenden, die, ebenfalls unterstellt sie spiegeln seine politische Einstellung wider, ebenso schwerwiegende Verfehlungen darstellen.
Genau darauf stützen sich zunächst auch die Ermittlungen bezüglich eines möglichen Disziplinarverfahrens. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, kann verlangt und muß auch verlangt werden, daß das fiktive Verhalten, entsprechend der Verfehlung Konsequenzen nach sich zieht.(...)
Fraglich ist zudem, ob Herr Lüken mit dieser Disziplinarmaßnahme nicht bezweckt (bezwecken will?), daß sich weitere, den Reps nahestehende PolizistInnen offen zu ihrer politischen Anschauung bekennen. Die Folge wäre eben, daß man/frau sich nicht um die Ursache des großen reaktionären und fremdenfeindlichen Potentials zu kümmern braucht, weil es nicht offen zu Tage tritt. Sinnvoller wäre es daher für alle „Linken“, sich zu überlegen, wie sie ihre bescheidene politische Macht dazu nutzen können, die politisch Herrschenden zu einer Aufarbeitung der Ursachen zu zwingen und nicht ihrem bewußten Verdrängungs- und Ausgrenzungsprozeß noch Vorschub zu leisten.
Daß die politische Anschauung, die mit dieser Argumentation zur Zeit geschützt wird, in unserer politischen Landschaft nicht unbedingt wünschenswert ist, steht auf einem anderen Blatt. (...)
Henning Bauer
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