Fußball nicht den Rechten überlassen

Gesichter der Großstadt: Antirassistische Fußballfans aus fünf Initiativen haben mitgeholfen, das Länderspiel am 20. April zu verhindern / „Für den Fußball und gegen den Mißbrauch“ durch Rechte  ■ Von Martin Krauß

Das war Streß, was die Jungs in den letzten Wochen auszuhalten hatten. Das Programm der links- autonomen Fußballfans, die bei der Antirassistischen Fan-Koordination mitarbeiten, bestand aus mehreren Pressekonferenzen, einer Demo-Organisation, einigen Veranstaltungen, Fernsehauftritten, dauernd Presse am Telefon und auf den Fersen – alles wegen einem Fußballspiel, das dann doch nicht stattfindet.

Fans gegen ein Fußballspiel? Hertha Vorletzter, TeBe Letzter in der Tabelle, und ausgerechnet Fans wollen guten Fußball in dieser zweitklassigen Stadt verhindern?

Fünf Gruppen sind es, die sich in der Fan-Koordination vereint haben, die älteste nennt sich Antifaschistische Fußballfan-Initiative (A.F.F.I.). Dazu gehören noch der „Fanladen Anstoß“, das „Fußballcafé Linksaußen“, der St.-Pauli- Fanclub „Das zweite Bein muß mit“, der Türkiyem-Fanclub und die Initiative „Union-Fans gegen Rassismus“.

Die A.F.F.I. hat sich 1990, nach dem Weltmeistertitel für Deutschland, zusammengetan. Das aus Hamburg rüberschwappende St.- Pauli-Flair, das frisch bemerkte oder wieder ausgegrabene Fußballinteresse während der Weltmeisterschaft, das ließ auch einige Berliner Linke kreativ werden.

Zunächst machten die A.F.F.I.- Leute das, was sie vorher auch gemacht hatten, was Fans halt machen: zu Spielen gehen, sich treffen, reden – nur jetzt als Gruppe. Seit 1992 haben sie in der Brunnenstraße am U-Bahnhof Rosenthaler Platz zusammen mit anderen Fans einen festen Treffpunkt, den „Fußball-, Fan-, Infoladen Anstoß“, wie er zwar holprig, aber korrekt heißt.

Warum ausgerechnet Fußball als Gegenstand der Antifa? „Nicht von außen haben wir uns das überlegt“, erklärt Peter, der selbst zum FC Berlin, dem Ex-Dynamo, geht, „es ist nicht so, daß wir als einen Punkt der antifaschistischen Arbeit Fußball rausgepickt haben.“ Nein, Fußballfans sind sie, und zwar nicht erst seit der WM 1990. „Wir sind Leute von innen, Fußballfans, die seit Jahren in die Stadien gehen.“ Und der Fußball ist zu wichtig und zu schön, um ihn anderen zu überlassen. „Es ist so, daß Fußball niemals rassistischen und nationalistischen Charakter haben kann“, erklärt Peter weiter, „Fußball ist integraler Teil unseres Lebens, wie die Straße, wie der Arbeitsplatz“, deswegen braucht es die A.F.F.I. Das Fan-Dasein nicht aufgeben, sondern erweitern. Der Alltag linker Fußballfans ist das Wochenende, so wie bei allen Fans. Reisen zu Auswärtsspielen „ihrer“ Mannschaften, Besuch von Heimspielen. Treffen, quatschen, Bier trinken, klönen mit Anhängern anderer Teams, die nach Berlin gekommen sind. Fernsehen gucken, die Bundesliga kommentieren und diskutieren. Mit Wissen glänzen, wenn Sat.1 wissen will, ob Helmut oder Erwin Kremers zuerst Nationalspieler war.

Ab und zu gibt es so etwas wie Pflichttermine. Wenn Türkiyemspor, der Kreuzberger Klub mit dem großen Anhang, ins Umland fährt, nach Cottbus zum Beispiel. Dann fahren nicht nur die Türkiyem-Anhänger der A.F.F.I. und die anderen Fans aus dem „Anstoß“ mit, sondern es wird in der gesamten Szene mobilisiert. Präsent sein, wenn Attacken der Rechten drohen, ist die einfache Begründung.

Das Länderspiel gegen England am 20. April, das nach der Hamburger Absage nach Berlin kommen sollte, das ging über den Alltag hinaus. Fußballfans gegen ein Länderspiel, das muß ja was Besonderes sein. Ein Widerspruch, sagt Theo, ein anderer Fan, ist das nicht. „Unsere Bemühungen, das Spiel zu kippen, sind für den Fußball und gegen den Mißbrauch.“

Jetzt, nach Absage und Demo, sind die antifaschistischen Fußballfans wieder zurück im Alltag. Jetzt unterstützen sie wieder „ihre“ Klubs, das sind bei den meisten Union, der FC Berlin oder Türkiyemspor. Dorthin, in die Katzbachstraße, kommt nächste Woche Cottbus. Alltagspflicht statt Länderspielstreß.