: Olympisches Nachspiel
■ Staatsanwaltschaft beantragt Aufhebung der Immunität der Grünen-Abgeordneten Judith Demba wegen Olympiavideo
Sieben Monate nach dem Berliner Debakel in Monte Carlo wird sich das Abgeordnetenhaus erneut mit der Olympiabewerbung befassen müssen. Dem Rechtsausschuß des Parlaments liegt ein Antrag der Staatsanwaltschaft beim Landgericht vor, die Immunität der grünen Abgeordneten Judith Demba aufzuheben. Demba wird vorgeworfen, im Zusammenhang mit dem umstrittenen Anti-Olympia- Video im Januar 1993 die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) genötigt zu haben. Das Video zeigt in der Schlußszene einen vermummten Mann, der mit einem undefinierbaren Gegenstand in der Hand dem Publikum zuruft „We will wait for you“. Ob das Video als Satire oder als Aufruf zur Gewalt zu betrachten sei, hat damals auch die Fraktion Bündnis 90/Grüne entzweit.
Die Staatsanwaltschaft wirft Judith Demba nun vor, an der Verfassung eines Briefs an die 91 IOC- Mitglieder beteiligt gewesen sein, in dem auf das Video hingewiesen worden sei. Um beim Amtsgericht Tiergarten einen entsprechenden Strafbefehl gegen Demba auszustellen, wurde das Abgeordnetenhaus nun via Justizverwaltung aufgefordert, die Immunität der Abgeordneten aufzuheben. Bereits am Donnerstag soll der Rechtsausschuß des Parlaments über den Antrag abstimmen.
Ob die Mitglieder der Fraktion Bündnis 90/Grüne dem Antrag im Rechtsausschuß zustimmen oder ihn ablehnen, darüber wollte gestern abend der Fraktionsvorstand debattieren. Die Ostberliner Abgeordnete Anette Detering erklärte allerdings der taz, daß es darum gehe zu sehen, „was an den Vorwürfen dran ist“. Eine Aufhebung der Immunität könne für sie dann sinnvoll sein, wenn sie eine Barriere gegen weitere Ermittlungen darstelle. Detering hatte bereits im Februar 1993 den Rücktritt Dembas gefordert, war aber an der Fraktionsmehrheit gescheitert. Mehrere Bündnis-90-Abgeordnete hatten es auch abgelehnt, zur Anti-Olympia-Demo anläßlich des Besuchs der IOC-Prüfungskommission aufzurufen, weil das Verhältnis der West-Grünen zur Gewaltfrage ungeklärt sei.
Unterdessen wies Fraktionssprecher Stephan Noä die Vorwürfe gegen Judith Demba als abstrus zurück. „Wenn hier jemand wegen Nötigung vor Gericht gehört, sind es Diepgen und Nawrocki wegen ihrer umstrittenen Dossiers über die IOC-Mitglieder“, sagte er der taz. Uwe Rada
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