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Die „Marionettenliga“

Warum ein Sieg Volleyballerinnen in der Bundesliga nicht unbedingt immer gelegen kommt und Planwirtschaft durchaus Vorteile für die Play-Off-Halbfinalspiele verschaffen kann  ■ Von Jörg Winterfeldt

Berlin (taz) – Der Schweriner Diplom-Sportlehrer Gerhard Fidelak (51) ist ein aufrichtiger Volleyball-Trainer. Weil er im Damenbereich auch zu den erfolgreichsten gehört, blickt er inzwischen auf eine dreißigjährige Tätigkeit bei seinem Verein zurück. Obwohl er als Tabellenzweiter der Normalrunde mit seinen Damen heute im Halbfinale der Bundesliga-Play-Offs in Schwerte antreten wird, weiß Fidelak seit Januar, daß sie ihn beim Schweriner SC loswerden wollen. „Das hat mir ein großer Teil der Mannschaft nach dem Europapokal gegen Istanbul ins Gesicht gesagt.“

Fidelak weiß auch, wem er seine Lage zu verdanken hat, aber das würde einer wie er nie der Öffentlichkeit preisgeben. Er ist loyal selbst gegenüber denen, die solches kaum verdienen. Dazu zählt sein Manager Born, der vor Wochen bei einem lokalen Privatsender die Nachricht von Fidelaks Entlassung lanciert hatte. Der Coach liefert den Heckenschützen ebensowenig aus wie seine Zuspielerin Danilova, einen Geist, den Fidelak selbst vor der Saison aus Leverkusen gerufen hatte.

Durch die Zentralität ihrer Position vermag die Russin ganz alleine über Schweriner Spielschicksale zu entscheiden. In Schwerte, wo sie vor Wochen arbeitsverweigernd 0-3 eingingen, ließ die mächtige Intrigantin kurzerhand die willigen Angreiferinnen auflaufen. Fast sämtliche Pässe kamen ungenau und mit Vorliebe vor den geschlossenen Doppelblock des Gegners. Als sich gleiches vergangene Woche im Play-Off-Viertelfinale daheim gegen Münster wiederholte, standen dem verzweifelten Fidelak beim 0:3 die Tränen in den Augen, und er wünschte sich, „die könnten nach dieser kollektiven Leistungsverweigerung die Beschimpfungen des Publikums gegen mich hören“.

Das Team indes kann sich auf höhere Taktik berufen. Der in diesem Jahr neu eingeführte Modus erlaubt das Jonglieren mit dem Terminplan.

Weil sein Schicksal bereits besiegelt war, ging es Münster in besagter Partie um die Auswahl des adäquaten Halbfinal-Gegners. Der wäre, im Falle von zwei Siegen, Berlin gewesen; so ist es „nur“ Schwerte, der vermeintlich leichteste Widersacher unter den letzten vier, während Münster sich mit Berlin auseinanderzusetzen hat.

Selten zuvor ist in der Bundesliga der Frauen soviel gekungelt worden wie unter dem diesjährigen Modus: Weil die ersten sechs für das Play-Off qualifiziert sind, hat sich, bis auf Münster und Tübingen, fast jeder in „der Marionettenliga“ (Lohhofs Trainer Götz) seinen Wunschgegner für die Play-Offs ausgesucht.

Die größten Manipulationen fabrizierten die Titelverteidigerinnen vom CJD Berlin. „Die haben durch ihre Niederlagen in Creglingen und Feuerbach Vechta abgeschossen“, schimpft Schwerins Mannschaftsführerin Steppin über die Verzerrung des Abstiegskampfes.

So hat Berlins Trainer Spiegel bei der Niederlage in Creglingen den zweiten Sechser anfangen lassen, weil die Stammsechs in einer Raststätte „solange auf ihr Essen warten mußten“. Zwar beteuert er, „die Spiele nicht absichtlich vergeigt“ zu haben – schließlich seien seinem Verein wegen der reduzierten Heimspielmenge bis zu 40.000 Mark durch die Lappen gegangen – aber er habe eben die Aufgabe, über acht Monate zu planen, der Höhepunkt dürfe erst in den Finalspielen erreicht werden.

Weil für Spiegel alle Mittel den finalen Zweck heiligen, vermuten Insider, daß Berlin allein schon deswegen nicht Normalrunden- Zweiter werden wollte, um bereits im Halbfinale unter den Bedingungen des „best of three“ auf Münster zu treffen. Wenn der USC da nämlich heute gleich das erste Spiel im Berliner Sportforum Höhenschönhausen verlieren sollte, könnte Spiegels Truppe mit diesem psychologischen Vorteil nach Münster reisen und sich dort bereits mit einem weiteren Sieg im zweiten Spiel am Samstag für das Finale („best of five“) qualifizieren. Zu jenem dritten Vergleich, bei dem Münster am Sonntag endlich den Vorteil, weil ein zusätzliches Mal Heimrecht, hätte, käme es dann gar nicht mehr.

Derlei Ansetzungen sind eine Verbeugung der Liga vor den Fernsehmachern, die bei einem eventuellen dritten Spiel (im Finale der fünften Partie) die Kameras einfach in einer Halle aufgebaut lassen könnten. In Münster, wo man es sich angesichts des ungeheuren Fan-Zuspruchs nicht leisten kann, strategische Niederlagen einzustecken, befürchten sie nun, so der Mäzen Horstmann (50), daß am Ende nicht die eigene Sportlichkeit, sondern Spiegels Planwirtschafterei belohnt werden könnte und „daß die Zuschauer ausbleiben, wenn das so weitergeht“. Deswegen müsse man sich schleunigst „über eine Bereinigung des Spielsystems unterhalten“.

Während der Modus allen Clubs wenigstens ab heute ehrlichen Volleyball abverlangt, plant der volleyballverrückte Fidelak zukünftig zwangsläufig eine Zukunft ohne sein bisheriges Werk und wünscht sich bescheiden eine Anstellung im Schweriner Sportamt, „um mit 51 nicht auf der Straße zu stehen“.

Und wenn es ihm dann noch einmal vergönnt sein werde, vor 4.000 tosenden Zuschauern in Münster zu spielen, „dann wäre das für mich wie Weihnachten“.

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