: Der Kampf kann noch lange dauern
■ In Ruandas Hauptstadt dauern die Kämpfe an / Am Sieg der RPF-Guerilla zweifelt jedoch keiner / Massenflucht von Zivilisten und Soldaten aus der Stadt / Ausländische Truppen sollen Ruanda verlassen
Nairobi/Berlin (taz) – Die ruandische Rebellenbewegung RPF („Patriotische Front Ruandas“) hat gestern ihren Vormarsch in der Hauptstadt Kigali fortgesetzt. General Romeo Dallaire, Kommandeur der UNO-Truppen in Ruanda, sagte, die Rebellen stünden unmittelbar vor der vollständigen Eroberung der Hauptstadt. Teile der Regierungsarmee sollen sich auf der Flucht in Richtung Zaire und den Süden Ruandas befinden. Beobachter zweifeln kaum an dem Sieg der straff organisierten RPF über die undisziplinierten und schlecht ausgebildeten Regierungstruppen. „Aber der Kampf kann trotzdem noch lange dauern und sehr blutig werden. Es ist auch keineswegs sicher, daß die RPF ihre Leute alle unter Kontrolle hat“, meint ein Diplomat. Racheakte der RPF an Anhängern der Regierung des getöteten Präsidenten Habyarimana werden nach den Massakern der letzten Tage, an denen die Armee maßgeblich beteiligt gewesen ist, befürchtet. RPF- Sprecher Claude Desaidi sagte gestern in New York, die Guerilla wolle nach der „Wiederherstellung der Ordnung“ eine „Regierung auf breiter Grundlage“ bilden. Die RPF sei grundsätzlich für ein Mehrparteienparlament, werde aber keine Regierungsmitglieder Habyarimanas akzeptieren.
Auch gestern saßen in Kigali noch Ausländer fest, die auf ihre Evakuierung warteten. Die Zeit drängt: Die RPF wünscht den schnellstmöglichen Abzug aller nicht zur UNO gehörenden fremden Truppen aus Ruanda. Sollten die belgischen, französischen und italienischen Soldaten, die mit der Evakuierung der Ausländer betraut sind, das am Dienstag verkündete Ultimatum der RPF überschreiten, dann besteht die Gefahr, daß sie unmittelbar in den Bürgerkrieg verwickelt werden. Unklar war der genaue Zeitpunkt des Ultimatums: Ein belgischer Militärsprecher erklärte gestern in Nairobi, bis spätestens heute abend müßten die fremden Truppen Kigali verlassen haben. „Wir versuchen jetzt, möglichst unsere Maschinen vollzubekommen und nicht halb leer zu fliegen. Solange nicht genug Flüchtlinge am Flughafen eingetroffen sind, schützen wir die, die da sind, an einem sicheren Ort.“ Kaum ein Ort in Kigali kann allerdings wohl als gänzlich sicher gelten. Nach unbestätigten Berichten halten sich noch immer etwa 1.000 Ausländer in Ruanda auf.
Die Einwohner Kigalis fliehen derweil in Scharen aus der Stadt. „Zwischen dem Stadtausgang und Ruyenzi ist die Straße voll, da sind Tausende von Flüchtlingen“, berichtete ein indischer Geschäftsmann an der Grenze zu Burundi, der die ruandische Hauptstadt auf dem Landweg verlassen hat. Ruyenzi liegt rund 90 Kilometer südlich von Kigali. Der Geschäftsmann mußte umgerechnet rund 300 Dollar an bewaffnete Milizionäre zahlen, um passieren zu können. „Ich habe meinen Bruder im Auto, der an Aids stirbt“, erklärte er. „Sonst hätte ich das Risiko, aus Kigali herauszufahren, gar nicht auf mich genommen. Am Stadtrand ist es am schlimmsten.“ Die Flüchtlingskolonne wurde gestern von einem Konvoi von Luxuslimousinen mit Militäreskorte überholt, in dem sich offenbar die Mitglieder der Regierung absetzten.
Der UNO-Sicherheitsrat begann am Dienstag abend mit Beratungen über die Zukunft der 2.500köpfigen Blauhelmtruppe in Ruanda, die wegen ihres passiven Verhaltens während der Massaker scharf kritisiert worden ist. Ratspräsident Colin Keating sagte, man wolle „in ein oder zwei Tagen“ über ihr Schicksal befinden. Bis auf eine ghanaische Einheit im Norden Kigalis befanden sich gestern alle Blauhelmsoldaten in Ruanda in ihren Baracken. bg/D. J.
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