: Bundesbanker wagen Doppel-Trippel
■ Diskont- und Lombardsatz um je ein Viertelprozent gesenkt / Selbst Bundsbankpräsident Tietmeyer findet trotz intensiver Suche keine Inflationsgefahr mehr und will nun auch die Konjunktur beleben
Berlin/Frankfurt/Main (taz/AP/ dpa) – Der Zentralbankrat, das oberste Entscheidungsgremium der Bundesbank, hat gestern überraschend gleich beide Leitzinssätze gesenkt: Der Diskontsatz wurde von 5,25 Prozent auf 5 Prozent zurückgenommen, der Lombardsatz von 6,75 auf 6,50 Prozent.
Frankfurts Bankerszene wunderte sich sehr über den doppelten Trippelschritt der Bundesbanker. Sie hatte vor der gestrigen Sitzung nur auf eine Rücknahme des Lombardsatzes „als symbolischen Akt“ spekuliert.
Der Diskontsatz ist der wichtigere Zinssatz. Zu ihm verkauft die Bundesbank begrenzte Mengen Geld an die Geschäftsbanken. Wenn eine Bank darüber hinaus Geld braucht, muß sie es sich zum höheren Lombardsatz bei der Bundesbank beschaffen.
Mit der Entscheidung der Bundesbank können sich die Banken nun günstiger Geld besorgen. Die Kreditinstitute sollten Zinssenkungen an ihre Kundschaft in Form von niedrigeren Zinsen für Verbraucherkredite und andere Darlehen, darunter auch Dispo- und Überziehungskredite, weitergeben.
Die Erfahrung lehrt allerdings, daß die Banken sehr viel schneller sind, die Zinsen auf Sparguthaben zu senken, als die Kreditzinsen: An der Differenz, dem sogenannten Zinsüberschuß, läßt sich gut verdienen.
Seitens der Bundesbank sind die Leitzinsen ein Mittel zur Inflationsbekämpfung. Wenn die Bundesbanker glauben, daß die Inflationsgefahr wächst, erhöhen sie die Leitzinsen: Geld wird dann teurer, und die Nachfrage nach Krediten sinkt. Umgekehrt dienen Zinssenkungen der Konjunkturbelebung: Die Kreditaufnahme, und damit Investitionen werden erleichtert.
Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer bezeichnete es gestern erneut als wichtigste Aufgabe, gegen die Inflationsgefahr zu kämpfen. Deshalb werde es auch künftig „keine vorschnellen Zinssenkungen“ geben, trotz der inzwischen auf 3,2 Prozent gesunkenen Inflationsrate. Die sei vor allem deshalb im Sinken begriffen, weil die Mieten und Löhne langsamer steigen als bisher.
Tietmeyer sagte, daß die Geldmenge M 3 im Laufe des Jahres veraussichtlich weniger stark wachsen wird als im Februar, als sie mit einer Jahresrate von 17,5 Prozent explodierte. M 3, zu der Bargeld, Termin-, Sicht- und Spareinlagen gehören, gilt den Bundesbankern als Frühmelder nahender Inflation. Bundesbank-Kritiker haben allerdings zunehmend Schwierigkeiten, einen Zusammenhang zwischen der stetig steigenden Geldmenge und der ebenso stetig sinkenden Inflationsrate zu erkennen. dri
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