: Als letzter Ausweg bleibt wohl nur die Illegalität
■ Keine Arbeit, keine Wohnung, und der 17. April rückt immer näher: Dresdens Ausländerrat kämpft um ein Bleiberecht für verzweifelte Ex-VertragsarbeiterInnen
„Was die Rechtsradikalen mit ihren Terroraktionen nicht geschafft haben, soll jetzt auf legalem Weg erreicht werden“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Dresdner Ausländerrates und anderer sächsischer Vereine zur bevorstehenden Abschiebewelle. Nguyen Trong Kai, Mitarbeiter beim Ausländerrat, müßte schon jede Menge Jobs und bezahlbare Wohnungen in der Hinterhand haben, um seinen Landsleuten helfen zu können, die Tag für Tag sein Büro aufsuchen – in der Hoffnung, doch noch beide Bedingungen für ein Bleiberecht zu erfüllen.
„Viele sind verzweifelt, weil sie einfach nichts finden, und der 17. April rückt immer näher“, beschreibt Nguyen Trong Kai die Situation der letzten in Dresden lebenden VietnamesInnen und MosambikanerInnen. Viele „Vertragsarbeitnehmer“ vor allem aus Mosambik und Angola, aber auch Vietnam, waren schon vor drei Jahren in die Heimat zurückgekehrt, verunsichert durch die damalige Debatte über ihren Aufenthaltsstatus, aber auch durch rechtsextremistische Gewalt.
Nguyen Trong Kai hofft, „daß sich die Politiker doch noch zu einer humanen Regelung für alle ehemaligen ausländischen Arbeitnehmer entschließen“. Bisher jedoch deutet nichts darauf hin. Im Gegenteil. „Von 87 Bewohnern eines Heimes in Dresden hat nur ein einziger ein Bleiberecht bekommen“, weiß der Vietnamese nach eigenen Recherchen. „Was hier zur Zeit geschieht“, wertet der Sprecher des Ausländerrates, Nabil Yacoub, als „bürokratische Beschreibung für: Liebe Ausländer, haut doch bitte ab.“
Eine „erschreckend lange“ Liste mit mindestens 60 Namen besorgte sich Dresdens Ausländerbeauftragte Marita Schieferdecker- Adolph am Mittwoch von der Ausländerbehörde – vier Tage vor Ablauf des „Ultimatums“ für die ehemaligen DDR-VertragsarbeiterInnen. Sie enthält die Namen von VietnamesInnen, die ab Montag abgeschoben werden sollen – geht es nach dem Willen der Innenministerkonferenz. Zwar haben die VietnamesInnen ihre Anträge auf Erteilung des Bleiberechts eingereicht, aber sie haben eben noch keine Arbeit gefunden. Nun will die Ausländerbeauftragte mit einem Krisenstab retten, was zu retten ist: „Vielleicht können wir einige bei einer Umschulungsfirma unterbringen oder in einem ABM- Projekt.“ Vielleicht reagiert sogar irgend eine Firma auf die Notrufe nach Arbeitsstellen.
Doch der Arbeitsmarkt ist zu, so wie der Markt für bezahlbare Wohnungen. Feste Arbeit und eine eigene Wohnung sind zynische Bedingungen für ein Bleiberecht. Nguyen Trong Kai rechnet vor: „300 Mark Miete pro Kopf in einem Wohnheim, auch für Säuglinge, das macht für eine vierköpfige Familie 1.200 Mark. Die Familie muß darüber hinaus über mindestens 1.500 Mark Einkommen, entsprechend dem Sozialhilfesatz, verfügen. Zusammen also 2.700 Mark, eine für die meisten Familien utopische Summe.“ Also bleibe denen, die solche Auflagen nicht erfüllen können, wohl nichts anderes übrig, als in die Illegalität zu gehen.
„Human in Anführungsstrichen“ nennt Marita Schieferdecker-Adolph die von den Innenministern ausgehandelte Regelung. „Wirklich human wäre gewesen, diesen vietnamesischen und mosambikanischen Menschen den gleichen Status zuzuerkennen wie damals den GastarbeiterInnen in den alten Bundesländern.“ Diese erhielten nach fünf Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis und nach acht Jahren eine Aufenthaltsberechtigung – während das Bleiberecht für die Ex-VertragsarbeiterInnen jeweils nach zwei Jahren verlängert werden muß.
Die sächsischen AusländerInnen-Initiativen fordern jetzt eine Fristverlängerung von sechs Monaten. Bleiberecht sollen in jedem Fall Mütter und Schwangere bekommen. Bürokratische Hürden, die VietnamesInnen den Weg zu einem Gewerbeschein völlig verstellen, sollen abgebaut werden. Das Bundesland Sachsen gibt VertragsarbeitnehmerInnen gar keine neuen Gewerbescheine mehr. „Selbständige Arbeit nicht gestattet“, droht ein Stempel im Paß.
Damit auch alles seine Ordnung hat, wachen im Freistaat neben den Ausländerbehörden in den Kommunen noch drei Regierungspräsidien über die etwa 6.000 VietnamesInnen. Jeder Aufenthaltsantrag muß doppelt begutachtet und bearbeitet werden – und das dauert. Marita Schieferdecker- Adolph: „Die Anträge stapeln sich beim Regierungspräsidium, und den Menschen rennt die Zeit davon.“ Als diskriminierend bewertet Dresdens Ausländerbeauftragte auch die Forderung nach einer „weißen Weste“: kein Eintrag im Polizeiregister. Daran scheitert schon, wer bei einer Razzia mit unverzollten Zigaretten erwischt wurde. Detlef Krell, Dresden
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