Ein paar Fragen

■ betr.: „Mit Sinn für Stil“, „Ohne Hang zum Mut“ (K/Eine Hom mage an Alfried Biolek), taz vom 9.4.94

Schwul sein wird demnächst zum Ausbildungsberuf, meinte Wiglaf Droste, und Max Goldt warnte schon vor Jahren davor, den winzigen Unterschied in der sexuellen Präferenz zum Nabel der Welt zu machen – aber Euch ficht das alles nicht an und so bietet Ihr gleich zwei Herren auf, die unisono an Alfred Biolek gerade das würdigen, was er nie war: ein Repräsentant dafür, daß Schwule eben auch sonst anders seien. Statt seine tatsächlichen Verdienste zu loben, orten sie einen mythischen Kraftquell der Homosexualität, aus dem Biolek eben schöpfe. Dazu hätte ich doch ein paar Fragen:

1. Wie war das mit Lou Reed und all den anderen, die fälschlich für schwul gehalten wurden: hattet Ihr da nicht auch zuerst einen Kraftquell verspürt?

2. Wenn wir wissen, daß Wichsen nicht blöd macht, folgt daraus, daß Schwul sein klug macht?

3. Würdet Ihr Yeboas Spielweise auch auf sein Schwarz sein zurückführen oder käme wenigstens das Euch rassistisch vor?

4. Wenn das alles so einfach ist, müßte dann nicht jeder beliebige Schwule Biolek voll ersetzen können?

Vielleicht gibt es tatsächlich ein typisch schwules Merkmal: eine Neigung, sich mit dem, was man im anderen an sich selbst wiederfindet, zu begnügen und es für das Ganze zu halten. Das ist aber etwas, was Alfred Biolek nicht tut und gerade das zeichnet ihn aus. Bernhard-Andreas Becker- Braun, Essen