piwik no script img

Cola-FH fürs Sozialprodukt

■ Das Programm der FHTW: Studis und Frauen vergessen, in die Hände spucken

Wer sich am Tag ihrer offiziellen Eröffnung vom U-Bahnhof Tierpark der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft (FHTW) näherte, den hieß ein Coca-Cola- Transparent „Willkommen“. Auf dem Hof überragte dann gar eine überdimensionale, aufblasbare Colabüchse die Festzelte, in denen die Hochschule ihre neue Unabhängigkeit nach zweieinhalb Jahren unter den Fittichen der Technischen Fachhochschule im Wedding begoß. Doch das westliche Statussymbol vermochte ebensowenig wie die frische Tünche im Audimax die östlichen Traditionen zu verleugnen.

Dazu gehörte, daß auch der erfrischende Beitrag des Studentenvertreters Maik Richter die versammelte Professorenschaft kaum irritieren konnte. Gründungsrektor Günter Siegel räumte freimütig ein, daß die Einrichtung eines Gründungs-Asta ebenso wie die Stelle einer Gründungs-Frauenbeauftragten „bei der Konzeption vergessen“ worden sei. So konnte es auch Richter, der mangels Körpergröße zunächst hinter dem Rednerpult verschwand, „kaum glauben, daß der größten Statusgruppe an der Hochschule hier Platz eingeräumt wird“. Die Professoren, so Richter, empfänden die „Anwesenheit der Studenten als notwendiges Übel“. Kritische Äußerungen der Studierendenschaft würden „zensiert“, Geduld und Ausdauer der Studenten durch ständig neue Vorschriften arg strapaziert. Dabei sei es überhaupt nur „aufgrund der studentischen Proteste gelungen, die Politiker von der Notwendigkeit einer Nachfolgeinstitution“ für die alte „Hochschule für Ökonomie“, aus der die FHTW hervorging, zu überzeugen.

Nicht ganz einig waren sich auch die beiden Senatsvertreter. Bürgermeisterin Christine Bergmann hob hervor, daß die FHTW mit 18 Prozent Professorinnen den höchsten Frauenanteil hat – der sich freilich höchst asymmetrisch verteilt: In der Bekleidungstechnik sind es 71 Prozent, bei der Informatik keine einzige. Manfred Erhardt vernahm die Botschaft wohl, als Bergmann die Einlösung des Gleichstellungsgesetzes anmahnte. Der Wissenschaftssenator, gerade ob seiner wenig frauenfreundlichen Berufungspolitik in die Schußlinie geraten, versicherte für den Fachbereich Kultur und Gestaltung mit seinen 86 Prozent Frauenanteil: „Männer werden bei der Zulassung nicht bevorzugt.“

Die Universitäten bezogen Prügel. Aus „Standesdünkel“, so Erhardt, hätten sie den Fachhochschulen „Tretminen“ gelegt. Während er an den beiden Westberliner Unis 15.000 Studienplätze streichen will, seien die FHs „von gezielten Mittelkürzungen ausgenommen“. Auch die derzeit kaum nachgefragten Ingenieursstudiengänge will der Senator „nicht vorschnell abbauen“. FH-Absolventen hätten wegen ihrer längeren Lebensarbeitszeit einen höheren Anteil am Bruttosozialprodukt.

In dem mit üppigem Blumenschmuck versehenen Audimax hing stets der Schatten Jürgen Tippes. Der allgegenwärtige Wissenschaftsmanager hatte im Frühjahr nach einem taz-Bericht als FHTW- Gründungsrektor seinen Hut nehmen müssen. Allzu eigenmächtig hatte er sich aus der Kasse des ebenfalls von ihm geleiteten Instituts für technische Weiterbildung (ITW) sechstellige Vorschüsse gewährt – aus Gründen, die nach Ansicht seines Nachfolgers Siegel eigentlich nichts mit der FHTW zu tun hatten. Erhardt übersetzte die Abkürzung, dessen Mitarbeiter zitierend, gar als „Fachhochschule für Tippes Wirken“.

Wer künftig als Präsident wirkt, entscheiden im Sommer die neu gewählten Gremien – Rainer Knigge, ein findiger Wirtschaftsprofessor und Gründungsprorektor steht bereit: „Ich erwäge zu kandidieren.“ Ralph Bollmann

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen