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In Zeiten der Zwangsreform

■ Budgetkürzungen werden die Hochschulen grundlegend verändern. Über die Köpfe der Studierenden hinweg entscheiden Ministeriale - Berlin ist bestes Beispiel

Studieren macht heute keinen Spaß mehr. Seit die Medien die Universitäten als Faultierfarmen entdeckt haben und die Politiker die Hochschulen nur noch benutzen, um möglichst problemlos ein paar Haushaltsmillionen einzusparen, verschweigt man lieber, daß man an einer Uni eingeschrieben ist. Studieren heißt heute vor allem, sich zu rechtfertigen. Wie lange dauert's denn noch, fragen Freunde und Verwandte. Oft ist es das einzige, was ihnen zum Thema Studium einfällt. Politisch fallen die 1,8 Millionen Studenten in Deutschland kaum ins Gewicht. Student zu sein ist einfach nicht chic; politisch engagiert zu sein, noch weniger. Schade eigentlich, denn die deutschen Universitäten werden sich per Budgetkürzungen von Grund auf verändern – über die Köpfe der Studierenden hinweg. Zwangsreformen von oben und eine aufs äußerte angespannte Finanzsituation werden verhindern, daß sich die Universitäten endlich auf die Bedürfnisse der Studenten einstellen. Dabei ist der Anteil der Hochschulausgaben am Bruttosozialprodukt seit 1979 schon um 30 Prozent gesunken.

Heute studieren 30 Prozent eines Abiturjahrgangs. Daß diese Studenten größtenteils weder eine wissenschaftliche Karriere machen wollen noch ein eindeutiges, fest umrissenes Berufsziel vor Augen haben, hat sich unter Professoren, die maßgeblich über Studieninhalte bestimmen, noch nicht rumgesprochen. Nur die wenigsten StudentInnen glauben heute noch, daß sie drei Tage nach ihrem Examen einen Arbeitsvertrag für 6.000 Mark netto unterschreiben. Statt den StudentInnen zu ermöglichen, das Studium mit einem Bakalaureat-Abschluß nach fünf Semstern erfolgreich abzuschließen, reagiert der Staat mit Regelstudienzeiten, Zwangsexmatrikulation und obligatorischen Studienberatungen – ohne Studiengänge und Studieninhalte wirklich zu reformieren. Das Beispiel Berlin führt besonders kraß vor Augen, wie irrational die Universitäten bis zum Jahr 2003 kaputtgespart werden sollen. Für Reformen wird es keinen Pfennig geben, die Professoren in den Gremien werden vor allem versuchen, Besitzstände zu wahren. Nachdem schon der Hochschulstrukturplan von 1993 vorsieht, 15.000 Studienplätze in Berlin abzubauen, hat Wissenschaftssenator Manfred Erhardt nach einer Sparklausur des Senats im März angekündigt, daß bis zum Jahr 2003 weitere 135 Millionen Mark eingespart werden sollen. Für die Berliner Universitäten stehen damit weitere 10.000 Studienplätze auf dem Streichplan. Von Personalkürzungen ganz zu schweigen. Dabei wurden schon mit dem Hochschulstrukturplan so viele Stellen eingespart, daß die Bibliotheken langsam in die Unbenutzbarkeit abrutschen und so positive Errungenschaften wie die Projekttutorien nicht mehr angeboten werden. Aber es sind nicht nur die finanzpolitischen Entscheidungen.

Plump hat Erhardt zum wiederholten Mal gegen das Landesgleichstellungsgesetz verstoßen und statt der hervorragend qualifizierten Claudia Brodsky einen Germanisten aus Marburg auf eine C-4 Stelle berufen. Politiker wissen, daß sie penetranten Studentprotest nicht mehr fürchten müssen. Ob es die „Initiative Volksbegehren“ schafft, bis Anfang Mai 80.000 Stimmen zusammenzukriegen, ist keineswegs sicher. Sicher ist nur, ein Mann wie Erhardt wird eine Reform, an der auch Studierende beteiligt sind, weiter zuverlässig verhindern. Rüdiger Soldt

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