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Banken kassieren für leere Glaspaläste

■ Verantwortlich für den angeheizten Immobilienmarkt im Osten ist die Bundesregierung / Auch in Westdeutschland fallen die Gewerbemieten

Bauinvestitionen erschienen vielen Zeitgenossen in den letzten Jahren als sichere Bank – besonders im Osten. Während viele andere Branchen rote Zahlen meldeten, wuchs die in Häuser und Straßen gepumpte Geldmenge in Gesamtdeutschland noch einmal um 4,5 Prozent an. Im goldenen Osten war gar ein Plus von 20 Prozent zu verzeichnen. Überall wird dort zur Zeit gebaggert, planiert und restauriert.

„Der Markt ist mit ungeeigneten Instrumenten angeheizt worden“, lautet das harsche Urteil von Bernd Bartholmai vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) über die Politik der Regierung in Bonn. Mit einer übertriebenen steuerlichen Förderung von Bauprojekten in den neuen Bundesländern wurde und wird ein gewaltiges Potential an Gewerberaum geschaffen, für das die Nutzer noch gar nicht gefunden sind. So werden möglicherweise bald viele Glaspaläste, die jetzt in ostdeutschen Städten hochgezogen werden, leerstehen, weil sich keine Interessenten dafür finden – insbesondere zu den geforderten Preisen, die oft bei über 50 Mark pro Quadratmeter liegen.

„Die Phantasie einiger Leute über die Entwicklung der Gewerbemieten war wohl etwas zu hoch“, so der DIW-Forscher. Quadratmeterpreise um die 60 Mark, so wie es das Finanzierungskonzept für viele Objekte vorsieht, wird so bald sicherlich niemand zahlen. Wahrscheinlich können sich viele Eigentümer freuen, wenn sie 30 Mark erzielen können. Nach Einschätzung des Berliner Experten ist ein Quadratmeterpreis von 50 Mark nur in absoluten Spitzenlagen einzukassieren. Hintergrund des fehlkalkulierten Baubooms: Das Fördergebietsgesetz von 1991. Um Investitionen in Ostdeutschland und Westberlin anzukurbeln, sagte die Bonner Regierung den Kapitalanlegern eine Sonderabschreibung von 50 Prozent zu. Betuchte Mittelständler, vor allem Zahnärzte, Anwälte und Leute in ähnlichen Berufsgruppen ließen sich zuhauf von Projektmanagern ködern, um auf diese Weise ihr Geld nicht in Finanzminister Theo Waigels Kasse fließen zu lassen. „Letztendlich aber werden die Zahnwälte, die unbedingt Steuern sparen wollten, die Geschädigten sein“, prognostiziert Bartholmai.

Aufs Geld wurde bei der Planung der Objekte häufig nicht geachtet. Denn das Fördergebietsgesetz ist bis Ende 1996 befristet; dann müssen die Räume bezugsfertig sein. Vielerorts fand ein regelrechter Wettlauf um die besten Standorte statt. Auch bei den Finanziers wollten die Initiatoren jeweils möglichst früh auf der Matte stehen, damit nicht ein Konkurrent mit der freudigen Steuersparnachricht schon vor ihnen da war.

Nutznießer dieser Steuerpolitik sind vor allem die Leiter derartiger Projekte, die von ihnen beschäftigten Grundstückshändler, Steuerberater, Finanzierungsfachleute und die Banken. Denn sie kassieren für ihre Finanzdienstleistungen viel Geld. Etwa 20 Prozent „weiche Kosten“ kassieren die Immobilieninitiatoren ein. Die Banken verdienen insbesondere an der Zwischenfinanzierung vor der Fertigstellung einzelner Bauabschnitte gut, abgesehen natürlich von den Gesamtkreditzinsen. Die Kosten tragen zunächst die „Zahnwälte“, die aber die Verluste postwendend nach Bonn weiterreichen können, indem sie weniger Steuern zahlen. Daraus erklärt sich auch, daß es zunächst niemanden stört, wenn völlig unwirtschaftliche Gebäude hochgezogen werden. Das böse Erwachen wird erst in einigen Jahren kommen, wenn die Sonderabschreibungsphase zu Ende ist und sich kein Mensch für die superteuren Quadratmeter interessiert.

Auch im Westen können die Vermieter von Gewerberäumen nicht mehr ganz so unverschämt zulangen wie noch vor fünf Jahren. Ende der 80er Jahre gelang es ihnen, etwa 90 Mark für eine sehr gute Lage in Frankfurt zu erzielen. Heute kann bei Neuabschlüssen nicht mehr als 65 bis 70 Mark verlangt werden. Auch die Mieten für Luxuswohnungen sind in den letzten Jahren gefallen. Statt 25 Mark überweisen die BewohnerInnen von Frankfurter Edelunterkünften zur Zeit nur noch etwa 20 bis 22 Mark auf das Konto des Vermieters. „Das Angebot ist größer als die Nachfrage“, ist die ebenso lapidare wie einleuchtende Erklärung von Hans-Michael Nowak, Syndikus der Frankfurter Immobilienbörse. In Zeiten der Rezession sei eben nicht mehr zu verlangen. „Und vor ein paar Jahren wurde so ungefähr alles gebaut.“ Aber auch hier im Westen hat Nowak das Phänomen beobachtet, das sich jetzt in Ostdeutschland so fatal auswirkt. „Vor etwa 20 bis 30 Jahren wurde erst gebaut, wenn mindestens ein Drittel der Mieter schon feststand. Heute ist das anders.“ In der Bankenmetropole aber sehen die Makler und ihr Klientel dennoch nicht trübsinnig in die Zukunft. Die Eurobank werde schon neue Impulse bringen, glaubt man. Insgesamt aber sind die Prognosen für die Entwicklung der Baukonjunktur eher pessimistisch, weil sich erfahrungsgemäß die die Rezession hier verzögert bemerkbar macht. Annette Jensen

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