Nachruf: Kein Untertan
■ Bernt Engelmann ist tot
Bernt Engelmanns politische Sachbücher schmückten mit ihren markigen Titeln die Bücherregale der oppositionellen Jugend in den sechziger und siebziger Jahren: „Wir Untertanen“, „Meine Freunde, die Millionäre“, „Großes Bundesverdienstkreuz“, „Deutschland Report“, vor allem aber das „Schwarzbuch: Strauß, Kohl & Co.“, das in zahlreichen aktualisierten Neuauflagen erschien, bis Strauß sich schmollend aus der Bundespolitik ins Bayerische verzwickte. Strauß war es, der auf Engelmann das berühmte Wort von den „Ratten und Schmeißfliegen“ münzte, mit denen man keine Prozesse führe. Merkwürdig: Mit diesem großen Feind verschwand auch Engelmann von der Bildfläche. 1983 mußte er nach Protesten von Siegfried Lenz, Günter Grass und vielen anderen vom Vorsitz des VS zurücktreten. Er hatte ein Telegramm an den polnischen Putschistengeneral Jaruzelski geschickt, das als zu anschmiegsam empfunden wurde. Engelmann hat sein damaliges Verhalten immer als Politik des „Wandels durch Annäherung“ verteidigt. Auch als man ihm vorwarf, daß er für seinen dokumentarischen Journalismus Material aus Stasi-Archiven verwendet habe, gab er keinen Zentimeter nach. In der taz schrieb er noch 1992, er habe „keine politische Vergangenheit, mit der ich hadern muß“.
Seine politische Selbstsicherheit, die oft die Form von Sturheit annahm, hatte allerdings gute Gründe in seiner Biographie: Der 1921 in Berlin geborene Engelmann, im Krieg Luftwaffensoldat, hatte sich dem Widerstand gegen Hitler angeschlossen. 1942 wurde er zum erstenmal von der Gestapo inhaftiert, 1944 begann eine alptraumhafte Reise durch die Konzentrationslager Flossenbürg, Hersbruck und Dachau, wo er im Mai 1945 befreit wurde. Nach dem Krieg studierte er in Köln, Genf und Paris Literatur, Recht und Geschichte, die Grundlage seiner Arbeit als Journalist für den Spiegel und „Panorama“.
Bernt Engelmann ist vorgestern nach langer, schwerer Krankheit in München gestorben. jl
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