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Schwedische Regierung gewährt Asyl

Erfolg für Schwedens Kirchenasyl-Bewegung: Rund 20.000 Flüchtlinge, darunter viele untergetauchte Illegale, erhalten Bleiberecht / Kosovo-Albaner können aufatmen  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Jubel herrschte am Wochenende in Hunderten schwedischer Kirchen und Flüchtlingslagern, nachdem die Regierung in Stockholm vergangene Woche beschlossen hatte, allen vor dem 1. Januar 1993 eingereisten Flüchtlingen mit Kindern pauschal ein Bleiberecht aus humanitären Gründen zu gewähren. Begründung: Nach mehr als fünfzehnmonatigem Aufenthalt wäre es unmenschlich, diese Menschen, vor allem die Kinder, wieder auszuweisen. Schweden ist damit nach knapp dreijährigem verschärftem Asylkurs wieder ein Stück auf die ehemals liberalere Linie eingebogen.

In fast jeder Stadt leben Flüchtlinge in Kirchen

Betroffen von der Pauschalregelung der schwedischen Regierung dürften rund 20.000 Flüchtlinge sein, die meisten aus Ex-Jugoslawien, und eine Mehrheit davon Kosovo-Albaner. Etwa die Hälfte von ihnen hatte bereits eine Ablehnungsentscheidung erhalten und war in die Illegalität abgetaucht. Die meisten hatten danach Kirchen- oder „privates“ Asyl erhalten – in nahezu allen schwedischen Städten leben Flüchtlinge in Kirchen, zum Teil seit Monaten. Es dürfte gerade diese Kirchenasylbewegung gewesen sein, die Stockholm zur überraschenden Lockerung der strengen Asylregeln veranlaßt hat. Angesichts der im September anstehenden Parlamentswahlen konnte sich die der liberalen Volkspartei angehörende Einwandererministerin Birgit Friggebo dem wachsenden Druck gerade ihrer WählerInnenkreise offenbar nicht länger verschließen. Birgit Friggebo hatte die vormals großzügige Asylregelung für Familien mit Kindern kurz nach der letzten Wahl verschärft.

Mit der Ausnahmeregelung wollte die Regierung offenbar auch der Kritik zuvorkommen, die angesichts eines Untersuchungsberichts über illegale Flüchtlinge zu erwarten war, der Ende letzter Woche veröffentlicht wurde und der Regierung schon seit Tagen vorgelegen haben dürfte. In diesem von der Einwandererbehörde und der Sozialverwaltung verfaßten Bericht mit dem Titel „Gömd“ („Versteckt“) wird vor allem die Situation der Kinder von Flüchtlingen analysiert, die sich verborgen halten, um der Abschiebung zu entgehen. Der Bericht enthält die bislang massivste Kritik am Umgang der PolitikerInnen mit dem Schicksal der untergetauchten Flüchtlinge in Schweden. „Die Kinder existieren für die Behörden nicht, sie werden eine Art Gepäckstück“, beschreibt der Kinderpsychiater Erling Skoglund seine Erfahrungen: „Zusätzlich zum Trauma der Flucht erhalten sie durch unsere Schuld noch das Trauma der Isolation.“

Bisherige Politik: Je schlechter, desto besser

Lilian Levin, Psychologin in Umea, wirft den PolitikerInnen im Bericht vor, die Kindheit dieser Flüchtlingskinder vollständig zu zerstören: „Es kann das Fürchterlichste sein, sich ständig versteckt halten zu müssen, nicht spielen und lernen zu dürfen, keine Kontakte zu haben.“ Sie hatte eine ständig wachsende Zahl versteckter Kinder psychologisch zu betreuen gehabt und dabei festgestellt, daß viele gleich die Kriterien für mehrere ernste Diagnosen erfüllten. Per Göran Bodén, einige Jahre lang Vertrauensarzt der Einwandererbehörde, prangert deren Menschenbild an: „Sie fragen nicht, wie es den Menschen geht, sondern ob sie transportfähig oder selbstmordgefährdet sind. Die zynische Wahrheit: Je schlechter es einem Kind geht, um so eher hat es die Chance auf einen Aufenthaltserlaubnis. Für eine zivilisierte Gesellschaft, die wir ja sein wollen, unwürdig.“

In den Nachbarländern Norwegen und Finnland wurde nach dem Bekanntwerden der schwedischen Entscheidung die Forderung laut, ähnliche Sonderregelungen für kosovo-albanische Flüchtlingsfamilien in diesen Ländern einzuführen. Was Norwegen angeht, so gilt die jetzt getroffene Stichtagsregelung Stockholms auch für die etwa 1.500 kosovo-albanischen Flüchtlinge, die nach Ablehnung ihres Asylantrags in Schweden in den letzten Monaten nach Norwegen gewechselt waren und dort einen neuen Asylantrag gestellt hatten. Sie können nunmehr nach Schweden zurückkehren, ohne mit Ausweisung rechnen zu müssen. Nachdem Norwegen Ende vergangenen Jahres ebenfalls angesichts einer massiven Bewegung „zivilen Ungehorsams“ Tausenden von vorwiegend Kosovo-albanischen Kirchenflüchtlingen ein Bleiberecht gewähren mußte, ist Schweden jetzt das zweite skandinavische Land, dessen Regierung seine gerade erst verschärfte Flüchtlingspolitik aufgrund des Engagements großer Teile der eigenen Bevölkerung zumindest teilweise revidieren muß.

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