: Schneiders Abschiedsbrief unterschlagen
■ Deutsche Bank im Zwielicht der Affaire um den Zusammenbruch des Immobilienimperiums Schneider / Pleite war länger absehbar / Dilettantische Kreditvergabepraxis für die Zeilgalerie „Les facettes“
Frankfurt/Main (taz/dpa) – Die Deutsche Bank spielt im Skandal um den Zusammenbruch der Schneider AG eine Schlüsselrolle. Wie der private Wirtschaftsdienst Czerwensky intern am Sonnabend über dpa vermelden ließ, habe der inzwischen untergetauchte Dr. Jürgen Schneider dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank, Ulrich Weiss, schon am 7. April in einem Brief mitgeteilt, daß er auf Anraten seiner Ärzte „mit unbekanntem Ziel verreist“ sei. Nach Angaben von Czerwensky intern soll die Deutsche Bank nach Eingang des Briefes umgehend eine „Durchsuchung“ der Geschäftsräume der Schneider AG in Königstein veranlaßt haben.
Dabei sei „man“ auf Unterlagen gestoßen, die den Betrugsverdacht gegen Schneider erhärtet hätten. Die Deutsche Bank aber, die Großkreditgeberin des Immobilienlöwen aus Königstein war, sah es offenbar nicht als nötig oder sinnvoll an, andere Gläubigerbanken oder die Staatsanwaltschaft in Frankfurt/Main von dem Abschiedsbrief ihres Kunden in Kenntnis zu setzen. Erst am 13. April, dem Tag der Anzeigenerstattung der Deutschen Bank gegen Schneider, sei der mit einem Vorermittlungsverfahren gegen Schneider befaßten Staatsanwaltschaft der Brief vorgelegt worden. Schneider und seine Ehefrau waren da – mit dem Geld von den leergeräumten Geschäftskonten in den Koffern – längst über alle Berge verschwunden.
Der Sprecher der Deutschen Bank, Hartmann, hat inzwischen die Informationen von Czerwensky intern bestätigt. Weil Schneider der Bank in seinem Brief an Weiss „Einblick in die wirtschaftliche Situation“ seines Unternehmens angeboten habe, so Hartmann, sei die Durchsuchungsaktion kein rechtswidriger Akt an der Staatsanwaltschaft vorbei gewesen. Darüber hinaus habe Schneider die Deutsche Bank geradezu darum gebeten, seine Immobiliengruppe nach seinem Abgang „geordnet abzuwickeln“, heißt es in dem Bericht des Informationsdienstes. Der private Wirtschaftsdienst mit Sitz in Frankfurt/ Main wirft allen Gläubigerbanken– mit der Deutschen Bank an der Spitze – vor, die sich zuspitzende Situation bei der Schneider AG über Wochen hinweg ignoriert zu haben. Schon am 16. März habe Schneider seinem Generalbevollmächtigten Ralf Lambsdorff, einem Neffen von Otto Graf Lambsdorff, die Vollmacht entzogen – nach Auffassung von Wirtschaftsexperten ein sicheres Indiz für eine „äußerst kritische Konstellation“ in einem Unternehmen.
Wie leichtfertig etwa die Deutsche Bank der Schneider AG Kredit eingeräumt hat, legte am Sonntag die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung offen. In Sachen Zeilgalerie „Les facettes“ habe die Deutsche Bank dem Löwen aus Königstein 415 Millionen Mark in den Rachen geworfen – aufgrund von völlig falschen Angaben von Schneider über die Nutzfläche des mehrstöckigen Einkaufspalastes. Daß „Les facettes“ statt der im Kreditvergabevertrag festgeschriebenen 20.000 Quadratmeter Nutzfläche realiter nur über eine Nutzfläche von 9.000 Quadratmetern verfügt, habe man seinerzeit in allen Tageszeitungen nachlesen können, schrieb die Sonntagszeitung den Bankern süffisant ins Stammbuch. Klaus-Peter Klingelschmitt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen