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Horror und stille Größe

■ Architekturführer für Schleswig-Holstein erschienen

Für alle motorisierten Architekturfreunde, die gerne mal vom hohen Roß einer angeblichen Metroplen-Architektur ins flache Land hinabsteigen wollen, liegt jetzt ein Architekturführer „Schleswig-Holstein seit 1945“ vor. In Format und Aufmachung dem Hamburger Architekturführer angeglichen, dokumentieren 200 Beispiele mit Foto, Zeichnung und Kurztext sowohl den Horror wie die stille Größe der Nachkriegsarchitektur in der Provinz. Heimatschutzerzeugnisse und moderate Modernismen, überraschend eigenartige Entwürfe und das bauliche Grauen kleinsstädtischen Renommee-Geistes finden hier Eingang.

Mit Hilfe des geschichtlichen Abrisses von Ulrich Höhns läßt sich vor allem für die Wiederaufbauphase Konzeptuelles entdecken. So bei dem Versuch Kiels, die zerstörte Stadt im Sinn der Nachkriegsmoderne als „gegliederte und aufgelockerte Stadt“ radikal neu zugestalten. Unter der Leitung von Rudolf Schroeder, einem Schüler von Paul Bonatz und Paul Schmitthenner, also der „Stuttgarter Schule“, bemühte sich Kiel um ein Programm für die Stadt, das die Lehren des Neuen Bauens auf die Umstände reflektiert anwenden sollte. Schroeder selbst entwickelte ein Schulbau-Programm, das zu den wenigen über die Landesgrenzen gewürdigten architektonischen Leistungen zählt. Auch die Bebauungsvorschläge für das 1952 von den Briten freigegebene Helgoland zeigen mutige Ansätze, die dann allerdings oft den Widerstand einer nostalgischen Bevölkerung nicht überwinden konnten.

Der rote Stein ist bei den einzelnen Beispielen die Maßgabe schlechthin. Zwar zeigen sich immer wieder ansehnliche Ausbrüche in Richtung skandinavischer Formen- und Materialsprache oder der „weißen“ Moderne, beziehungsweise in den späten Achtzigern auch die Aufnahme von Glas-und-Stahlfassaden, aber die Verbundenheit mit der alten Backstein-Tradition markiert dennoch den „common sense“ der schleswig-holsteinischen Architekten.

Doch auch in der Verwendung dieses „Urstoffes“ zeigt sich wenig gestalterischer Mut. Jene Momente, wo sich ein gewisser Witz oder eine strenge Orginalität im Umgang mit dem Material erkennen läßt, sind doch recht marginal. Insgesamt läßt sich bei vielen Gebäuden nicht die Weihe erklären, die sie durch diese Veröffentlichung erfuhren. Im Rahmen einer Heimatkunde für Baufreunde ist dieser Führer ein sinnvolles Dokument. Außerhalb Schleswig-Holsteins dürfte sich die Neugierde allerdings in Grenzen halten.

Till Briegleb

Architektur in Schleswig-Holstein seit 1945, Hrsg.: Alberts/Höhns, Junius Verlag, 272 S., 430 Abb., 39,80 Mark

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