Freies Fliegen ohne Lärmlizenz

■ Neues Luftverkehrskonzept setzt auf ungezügeltes Wachstum Von Marco Carini

Prima Klima. Denn der neueste Entwurf eines „norddeutschen Luftverkehrskonzepts“ verrät, wie trotz immer mehr Flügen der Düsenjetlärm vermieden und der Schadstoff-Ausstoß reduziert werden kann.

Der von Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig Holstein zusammen mit der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) erarbeitete Bericht setzt auf ungezügeltes Wachstum. Maßnahmen zur Reduzierung des Flugverkehrs werden abgelehnt. Begründung: ökonomisch verheerend, ökologisch nutzlos.

Das Papier, das als Planungs-Grundlage für die zukünftige Entwicklung des Flugverkehrs im norddeutschen Raum gelten soll, geht von einer bedeutenden Steigerung des Flugaufkommens bis zum Jahr 2000 aus. Allein in Fuhlsbüttel soll sich binnen zehn Jahren der Flugverkehr um über 20 Prozent erhöhen: von 141.439 Starts und Landungen (1990) auf rund 174.000 um die Jahrhundertwende.

Der „kräftige Anstieg der Luftverkehrsnachfrage“ soll dabei nicht durch staatliche Regulierungen gebremst werden. Ein Verbot von Kurzstreckenflügen, so malen die AutorInnen der Studie schwarz, hätte für Hamburg eine „unwiederbringliche Einbuße der Standortqualität zur Folge“ und somit „verheerende wirtschaftliche Folgen“. Schon eine staatlich verordnete Begrenzung des Flugverkehrs sei „eine dirigistische Maßnahme“ und „als solche nicht mit den Zielen und Regeln des Wettbewerbs in der EG vereinbar“.

Auch die Festlegung eines Lärm- und Schadstoff-Ausmaßes, das für jede Fluggesellschaft eine Obergrenze festlegt, über die hinaus sie die Umwelt nicht belasten darf, wird abgelehnt. Die Lizenz zum Lärmen sei aufgrund „rechtlicher Hindernisse nicht einführbar“. Deshalb gibt es nur eins: Freier Flug für freie Bürger.

Statt auf Beschränkungen setzt das Luftverkehrskonzept auf technischen Fortschritt im Kampf gegen die vom Flugverkehr ausgehenden Umweltbelastungen. Durch immer leiseres Fluggerät werde die Lärmbelastung trotz häufigerer Starts und Landungen ganz von allein „erheblich abnehmen“. Außerdem rechnet die DLR „in den nächsten zehn Jahren mit einer Halbierung des Kraftstoffverbrauchs“ durch neue Antriebskonzepte und leichtere Werkstoffe. Um diese Entwicklung zu fördern, empfiehlt die Studie „besondere Anreize für einen verstärkten Einsatz schadstoffärmerer Flugzeuge“.

Nicht besonders überzeugt von den ökologischen Regulierungskräften des freien Markts ist hingegen der Hamburger „Dachverband gegen Fluglärm“ (BIG). Er wirft den VerfasserInnen des Luftverkehrs-Konzepts vor, „die Belange der vom Fluglärm betroffenen Menschen weitgehend zu ignorieren“. Auch die Lärmemissionen der sogenannten „superleisen“ Maschinen lägen „noch deutlich über den Zumutbarkeitsgrenzen“, zudem würden bei steigendem Flugverkehr die Lärmpausen für die Flughafen-AnwohnerInnen immer geringer.

Die Krach-Gepeinigten selbst erwarten von der Fluglärmschutzkommission, daß diese nicht dem Luftverkehrskonzept zustimmt, sondern „für ein Einfrieren der Flugbewegungen auf niedrigem Niveau eintritt“. BIG-Sprecher Horst Balzen: „Alles andere werden wir als Beihilfe zur Körperverletzung werten“.