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Markenspeicher

■ Privatsender peilen Kinder als Werbezielgruppe an

Was ist ein „Markenspeicher“? Ganz einfach: dasselbe wie ein „Produktionsdurchsetzer“. Diese konsumfreudigen Wesen sind heute die wichtigste Zielgruppe für die werbetreibende Industrie, von der solch einfühlsame Namen stammen – die Rede ist von Kindern. Ihnen gilt seit einiger Zeit auch die besondere Aufmerksamkeit der Kommerzsender.

In diesen Tagen sind bei Sat.1 und dem Kabelkanal eine Reihe von Shows gestartet, die sich speziell an die Kids richten: „Hugo“ auf Leo Kirchs Kabelkanal fesselt nun täglich Gameboys und -girls vor dem Bildschirm, bei Sat.1 laufen neuerdings die Videospiel-Show „Games World“ und die Call-in- Sendung „Supermag“. Doch nicht aus reiner Kinderliebe heben die Privatsender eine Jugendshow nach der anderen ins Programm. Die Sendungen sollen ein kinderkompatibles Werbeumfeld bieten, in dem man für zielgruppenspezifische Produkte besser Reklame machen kann: Computerspiele, Süßigkeiten oder Limonaden verkaufen sich zwischen Kinderprogrammen besonders gut.

Besonders das Nachmittagsprogramm von RTL2 und dem Kabelkanal ist vollgestopft mit den besonders bei ganz kleinen Kindern beliebten Trickfilmserien. Und die Kids sind begeisterte Fernsehzuschauer: Laut einer Studie, die die Programmzeitschrift TV Movie in Auftrag gegeben hat, sehen 73 Prozent der sechs- bis dreizehnjährigen täglich fern. Fast jedes fünfte Kind sitzt mehr als drei Stunden pro Tag vor der Röhre. Jedes elfte Kind würde lieber im Fernsehen leben als da, wo es jetzt wohnt, und besonders die Vielseher halten alles, was sie im Fernsehen sehen, für real – inklusive der Werbung, die Kinder viel seltener wegzappen als Erwachsene.

Weil Hans nicht mehr lernt, was man ihm nicht als Hänschen eingebleut hat, ist es für die Werbung wichtig, Kinder frühzeitig an die „richtigen“ Produkte zu gewöhnen: 1987 erkannte IBM in Amerika, daß aus Apple-Kindern kaum mehr IBM-Erwachsene zu machen sind, und begann massiv für Kinder zu werben: Wegen des großen Erfolgs dieser Kampagne wurde der Werbeetat schnell von 14 auf 32 Millionen Dollar erhöht. Andere Konzerne zogen nach.

Auch in Deutschland sind Kinder in den letzten Jahren zu einer kaufkräftigen Zielgruppe geworden: 11,5 Milliarden Mark stehen den sieben- bis 15jährigen heute zur Verfügung, das sind im Durchschnitt 1.511 DM pro Kind und Jahr, die für Schokoriegel, Gameboys oder Barbie-Puppen ausgegeben werden können. Und wie eine Untersuchung des Ehapa-Comic- Verlags („Mickey Maus“) zeigt, sind Kinder heute erstaunlich markenbewußt: Schon unter den Siebenjährigen achten 57 Prozent beim Kauf von Schokoladentafeln auf Markenware.

Über die Hälfte der jungen „Markendurchsetzer“ bekommt auch, was sie will: Bei Schoko-Brotaufstrich erzwingen 71 Prozent der „Pester Kids“ (Nörgel-Kinder), wie eine englische Studie sie nennt, mit geduldigem Betteln das Produkt ihrer Wahl. So wird der Betrag, auf den deutsche Kinder direkten Einfluß haben, auf 24 Milliarden Mark geschätzt. Um die Wünsche und Vorstellungen der jungen Konsumenten treffsicher ansprechen zu können, werden Werbespots wie zum Beispiel die Kampagne für „Punica-Oase“ zusammen mit Kindern entwickelt.

Ein Trend bereitet den Werbern in den letzten Jahren allerdings zunehmend Sorgen: Die Kinder werden immer erwachsener. Schon Achtjährige fühlen sich von Teenager-Sendungen wie „Beverly Hills 90210“ (eine Serie, in der es um Highschool-Flirts und erste Liebe geht) eher angesprochen als von den für Vor- und Grundschüler konzipierten Shows wie zum Beispiel „Bim Bam Bino“ (Kabelkanal).

Deshalb versucht Sat.1, die Kinder schon früh vor die Glotze zu locken. Das Programm beginnt bereits am Sonntagmorgen, also zu einer Zeit, zu der sich Mutti und Vati gerne im Bett noch mal auf die andere Seite drehen. Billige Trickserien wie die „Astro-Dinos“ oder „Peter Pan“ garantieren bei Sat.1 schon ab halb acht morgens kindgerechte Unterhaltung. Seit einigen Monaten läuft bei dem Mainzer Kommerzsender um 11 Uhr „alSo“, eine Art Frühschoppen für Kids, bei dem Kinder mit Politikern über gesellschaftliche Themen diskutieren. Die Programmlücke dazwischen schließen „Gamesworld“ um 10 Uhr und „Supermag“ um 10.30 Uhr, die eher für die sogenannten „Teens“, also für die Kinder zwischen zehn und vierzehn, interessant sein sollen.

Beide neuen Sat.1-Shows orientieren sich am veränderten Freizeitverhalten dieser früh gereiften Jung-Fernsehzuschauer: In „Games World“ dürfen die kindlichen Kandidaten zum Beispiel in dem Computerspiel „Rock'n'Roll Racing“ Minen legen, um ihre Gegner bei einem fröhlichen Autorennen in die Luft zu sprengen; bei dem Spiel „Spin Masters“ geht es darum, durch das Aufsammeln von Extrawaffen (sic!) möglichst viele Punkte zu machen, und bei „Crash Dash“ gewinnt, wer die meisten Münzen einsammeln kann – immer umrahmt von Werbespots, deren Veranstalter ihrerseits hoffen, möglichst viele Münzen bei den kleinen Konsumenten einzusammeln.

An der anschließenden Spielshow „Supermag“ können sich die Zuschauer „interaktiv“ beteiligen und zum Beispiel per Tastentelefon die Kamera führen, um einen Gegenstand zu suchen – das intensiviert den Dialog mit der begehrten Zielgruppe und macht aufmerksamer für die Werbespots, die oft kaum vom Programm zu unterscheiden sind. Eltern, die sich von ihren Kindern gerne mit Konsumwünschen terrorisieren lassen möchten, sollten ihre Sprößlinge darum so früh wie möglich an das Kinderprogramm der deutschen Privatsender gewöhnen. Tilman Baumgärtel

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