: Adolf Hitlers letzte Liebe
Bei Ausschachtungsarbeiten auf dem Potsdamer Platz in Berlin wurden die sterblichen Überreste seiner Schäferhündin Blondie entdeckt ■ Von Willi Winkler
Von einem verspäteten „Osterei“ sprechen die Historiker, in Senatskreisen ist, gemäßigter, von einer „handfesten Überraschung“ die Rede. Auf jeden Fall handelt es sich um eine sensationelle Entdeckung: Bei Ausschachtungsarbeiten für das geplante Kleinkreditzentrum der Deutschen Bank AG am Südende des Potsdamer Platzes biß eine Baggerschaufel am Freitag vormittag auf historisch hochsensibles Material. Der Projektleiter am Baulos 15/IIb ließ, nachdem er sich mit seinem Vorgesetzten kurzgeschlossen und sich anschließend mit der Konzernleitung in Frankfurt/Main in Verbindung gesetzt hatte, die Erdarbeiten sofort einstellen. Die 22 Beschäftigten wurden unauffällig umdirigiert, die Grube mit rot-weißem Plastikband abgesperrt, der Bagger hatte Ruh'. Zusammen mit dem eilends aus dem Zeughaus herbeitelefonierten Direktor des Deutschen Historischen Museums (DHM), Christoph Stölzl, ging man daran, den Fund zu bergen.
Es handelt sich, wie die taz erfuhr, um das vollständig erhaltene Skelett eines Schäferhundes, um die, und hier wird die Sache brisant, sterblichen Überreste von Adolf Hitlers letzter Begleiterin Blondie. Das Goldene Parteiabzeichen am Halsband erlaubt diese eindeutige Zuschreibung.
Bekanntlich hatte Hitler am 29. April 1945 in einer etwas lieblosen Zeremonie seine langjährige Lebensgefährtin Eva Braun geheiratet. Am folgenden Tag, so will es jedenfalls die Überlieferung, nahm er sich zusammen mit seiner Gattin das Leben. „Ich wünsche nicht, nach meinem Tode in einem russischen Panoptikum ausgestellt zu werden“, hatte er seiner Umgebung wiederholt versichert. Und deshalb soll er sich auf seinem Sofa, Auge in Auge mit einem Bild des Preußenkönigs Friedrich II., mit seiner Dienstwaffe Typ PPK 7,65 in den Mund geschossen haben. Doch ist die Legende gar zu schön, um wahr zu sein: Eva Braun-Hitler, für den feierlichen Anlaß im kleinen Schwarzen, und der Führer bis zuletzt und erst recht im Tod vereint. Nebenan im Bunker der Reichskanzlei folgte der getreue Vasall dem Führer mit seiner gesamten Familie in den Tod: Joseph Goebbels verabreichte gemeinsam mit seiner Frau Magda den Kindern Helga, Holde, Hilde, Heide, Hedda und Helmut Zyankali, anschließend nahmen sie selber das Gift. Brigadeführer Mohnke und Kammerdiener Kempka wollen die Leichen der Familie Goebbels sowie des Ehepaars Hitler in einer Grube vor der zerschossenen Reichskanzlei verbrannt haben. Dem „so erprobten, kampfharten“ Mohnke liefen, wie Kempka überliefert hat, „die Tränen übers Gesicht um den verkohlten ,Chef‘“. Aber war das überhaupt der „Chef“, der da benzingetränkt loderte? Die Spuren schienen perfekt verwischt. Als Angehörige des 79. sowjetischen Schützenkorps am 4. Mai 1945 die zerschossene Reichskanzlei erreichten, mußte der Feind Adolf Hitler einfach tot sein. Die Leiche, die der Rotarmist Iwan Tschurakow im Garten der Reichskanzlei entdeckte, „trug gestopfte Socken. Sie war verkohlt“. Aber genau hier liegt der Hase im Pfeffer: Der Führer und Reichskanzler Adolf Hitler trug niemals gestopfte Socken. Die einschlägige Forschung (E. Nolte, J. Fest, R. Zitelmann) hat in den vergangenen Jahrzehnten die Vorgeschichte des „Dritten Reiches“ hinlänglich aufgearbeitet und dabei zweifelsfrei nachgewiesen, daß Hitler seit den demütigenden Jahren im Wiener Männerasyl und der anschließenden Hungerzeit in München-Schwabing allergrößten Wert auf Reinlichkeit, zumal auf frische Socken legte.
Die Leiche, die der Rotarmist fand, soviel steht jedenfalls fest, war für eine eindeutige Indentifizierung zu stark verkohlt. Wer immer am 8. Mai, dem Tag der Unterzeichnung der bedingungslosen Kapitulation des „Dritten Reiches“, auf dem Tisch des Leichenschauhauses lag, Adolf Hitler war es nicht. Dr. Faust Jossifowitsch Schkarawskij, Gerichtsmediziner der Ersten Weißrussischen Front, obduzierte den falschen Führer.
„In dem Delirium des Verrats, das in diesen kritischen Tagen des Krieges den Führer umgibt“, wie Goebbels am 29. April notierte, gelang es Hitler, sich aus dem Staub zu machen. Er war, wie wir heute wissen, der Verbindung mit Eva Braun überdrüssig, noch weniger wollte er sich, der so lange so unbeugsam dem Bolschewismus und dem Weltjudentum getrotzt hatte, dem Joch der Ehe beugen. Und so bestimmte er scheinheilig den treuen Goebbels zu seinem Nachfolger als Reichskanzler, schaffte sich Eva Braun vom Hals, fingierte einen Selbstmord und wartete den der Familie Goebbels ab. Sein Goldenes Parteiabzeichen, das er Magda Goebbels am 29. April geschenkt hatte (in einem Brief an ihren Sohn aus erster Ehe freute sie sich noch darüber), holte er zurück und steckte es Blondie ans Halsband. Nur von der letzten Geliebten begleitet, suchte er anschließend das Weite.
Längst lag der eiserne Belagerungsring der Russen um Berlins Mitte, die Situation schien hoffnungslos. Der Reichsphotograph Prof. Heinrich Hoffmann gehörte zu den letzten, die den Führer erlebten. In seinem Erinnerungsbuch „Hitler, wie ich ihn sah“ (1974) gibt Hoffmann einen Eindruck von der apokalyptischen Situation im Endkampf um Berlin: „Die Trümmer rauchten und schwelten. Aus den leeren Fensterhöhlen grinste das Grauen.“ Wie der Fund vom Freitag zweifelsfrei beweist, entkam Hitler diesem Grauen in letzter Minute. Er besann sich offenbar auf seine Erfahrungen als Meldegänger an der Westfront im Ersten Weltkrieg und tappte, mit einer gelben Blindenbinde getarnt, Blondie angeleint zur Seite, über den zerschossenen Potsdamer Platz in die Freiheit. Dennoch bleiben Fragen. Wohin hat sich Hitler geflüchtet? Lebt er vielleicht noch? Wenn er noch lebt, könnte er heute seinen 105. Geburtstag in der rüstigen Gesellschaft von Ernst Jünger (99) und Ilja Rogoff (etwa 122) begehen. Seine Leiche wurde jedenfalls nie gefunden. Um so mehr Aufschluß versprechen sich die Historiker von dem Fund in Berlin. Vermutlich muß mit diesem missing link aus der jüngeren deutschen Vergangenheit die Geschichte des Dritten Reiches neu geschrieben werden, zumindest in caniner Rücksicht.
Was aber ist genau geschehen zwischen dem Morgen des 30. April (angeblicher Selbstmord) und dem 4. Mai (Auffindung der Leiche)? Hat sich Hitler alleine durchgeschlagen und Blondie ihrem Schicksal überlassen? Hat ihrerseits die als treu bekannte Blondie ihren Herrn im Stich gelassen? Ist sie womöglich einem Werwolf zum Opfer gefallen? Lauter Fragen an die deutsche Geschichte.
Die Deutsche Bank, als Eignerin des gesamten Areals auch im Besitz der Grab- und Schürfrechte bis zu einer Tiefe von 18,50 Metern, übereignete den brisanten Fund in einem Fax („Dokumente folgen per Boten!“) dem DHM in Berlin als Dauerleihgabe. In einem body bag sind die sterblichen Überreste von Blondie einstweilen in der Asservatenkammer des Zeughauses Unter den Linden zwischengelagert (vorläufige Bestandsnummer des DHM: A1889/1945H).
Trotz höchster Geheimhaltungsstufe – am Sonntag abend hat der Kanzler den Fall an sich gezogen und Blondie zur Chefsache gemacht – laufen in der neuen und alten Hauptstadt Berlin längst Gerüchte über eine mögliche Verfilmung der Story um. Defa-Chef Volker Schlöndorff, von der taz dazu befragt, wollte nicht bestreiten, daß man über „ein nicht nur morbides Epos in der ,Kolberg‘- Tradition“ nachdenke. „Wir sind schließlich dem Geist dieses Ortes verpflichtet.“ Und nicht zuletzt gelte es gegen den Ansturm der US-Major-Companies in Babelsberg die Arbeitsplätze der Filmschaffenden zu erhalten. Harald Juhnke, bei seinem Lieblingschinesen am Berliner Zoo überrascht, war sich sicher: „Ich spiele die Hauptrolle.“
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