Die Lachkanonen des Faschismus

■ Eine Filmreihe über das „Lustspiel im NS-Film“ ist in dieser Woche im Überseemuseum zu sehen / Im Interview: Henning Harmssen, der Organisator, über Komödien und ihre „narkotische Wirkung“ einst und jetzt

Wie lacht das Fernsehpublikum doch gern über die Späße des Baron Münchhausen – in der „alten“ Fassung natürlich, mit Hans Albers. Daß der Film den Faschisten aufs Schönste zu Repräsentationszwecken diente, bleibt im TV-Programmheft unerwähnt. Auf solche Zusammenhänge macht seit Jahren die Landeszentrale für politische Bildung in besonderen Filmreihen aufmerksam. Z.B. in dem Seminar „Lustspiel im NS-Film“, das in dieser Woche läuft. Der Organisator Henning Harmssen kennt die Filme des Faschismus wie kaum ein zweiter; der taz erklärte er, warum es ziemlich notwendig ist, auch die vermeintlich harmloseren NS-Klamotten mal genauer anzusehen.

„Die gute Laune ist ein Kriegsartikel“ - so hat Joseph Goebbels die Funktion der Komödie im NS-Film festgeschrieben. Heute laufen viele dieser Lustspiele im Fernseh-Nachmittagsprogramm, ohne Kommentar; andere Filme aus dem Faschismus dürfen wegen ihrer eindeutigeren Propaganda nirgends gezeigt werden. Wonach entscheidet sich das?

Da gibt es ganz feste und detaillierte Verfügungen des Bundesinnenministeriums. Massive Propagandafilme wie „Jud Süss“ dürfen nur herausgegeben werden für Veranstaltungen, die diese Filme einbetten in eine Diskussion, daß also so etwas stattfindet wie ein Kontrastprogramm im Sinne aufklärerischer Arbeit. Solche Filme darf man gewissermaßen nur an Ketten vorführen.

Müssen diese Filme denn immer eine Art pädagogischen Begleitschutz bekommen? Kann man den Zuschauern da nicht auch einiges zutrauen?

Um Gottes Willen, keinen pädagogischen Begleitschutz im Sinne einer Belehrung. Aber man muß doch damit rechnen, daß da ein Publikum vor dem Kasten sitzt, das diese Zeit gar nicht erlebt hat. Für die muß der Film in seiner Geschichte plastisch gemacht werden, sonst läuft er glatt zwischen den Nachrichten, WISO und irgendwelchen Shows ab, wie ein Produktion von einem anderen Stern. Man darf allerdings eines nicht vergessen: Viele der Unterhaltungsfilme aus dieser Zeit werden deshalb so unbedenklich gezeigt und gesehen, weil sie genausogut vor –33 oder nach –45 hätten entstehen können. Viele haben keinerlei politische Implikationen, keine propagandistischen Züge, sie sind unverfänglich. Es wird aber vergessen darauf hinzuweisen, daß diese Filme natürlich dennoch ihre politische Funktion erfüllt haben.

Wie würden Sie diese Funktion beschreiben?

Mit immer fatalerer Kriegslage wurde die Produktion von Unterhaltungsfilmen immer größer. Das Kontingent an massiven Propagandafilmen nahm ab. Das war eindeutig die Strategie von Goebbels: Daß man diese Unterhaltungsfilme vorzüglich verwenden konnte als Mittel der Ablenkung, Zerstreuung und Beschwichtigung, um die gute Laune zu wahren.

Wie mußte denn eine typische Komödie aussehen, um durch die Zensur der gleichgeschalteten Filmproduktion zu kommen?

Ich glaube nicht, daß es da Rezepturen gegeben hat. Je länger ich mich damit beschäftige, desto mehr glaube ich, daß der Film nicht so drakonisch gleichgeschaltet war wie Presse und Rundfunk. Es gab da immer noch Lücken und Nischen, in denen sich Einzelne verkrümeln konnten, um ihre Filme zu machen. Da waren dann auch versteckte ironische, parodistische Bemerkungen z.B. über Goebbels möglich. Meine These ist: Daß diese ganz vorzüglich gemachten Unterhaltungsfilme auch als geeignet angesehen wurden, beim Publikum Pluspunkte für das Regime zu sammeln. Die Masse, die hinter ihrem Führer hertrottete, mußte sich doch sagen: Wenn solche Filme gedreht werden können, dann kann–s doch gar nicht so schlimm bestellt sein mit diesem Regime.

Wie hat es denn, abseits der Peripherie, im Zentrum der Filmproduktion ausgesehen?

Es hat natürlich auch viele Unterhaltungsfilme gegeben, in denen es klare propagandistische Akzente gab. Wir hatten eine solche Reihe mal vor zwei Jahren im Seminar gehabt. In einem Kriminalfilm zum Beispiel, der in Südamerika spielt. Da kommt die örtliche Polizei mit diesem Kriminalfall überhaupt nicht zu Potte. Bis dann eines Tages ein deutscher Kommissar auftaucht. Der räumt dann gewissermaßen auf und zeigt denen, was eine polizeiliche Harke ist. Da kommen ganz deutliche propagandistische Züge zum Vorschein. Von dieser Sorte gab es eine Menge Filme, die auf den ersten Anschein wie ganz harmlose Unterhaltungsware wirken.

Wie lassen sich denn die besonderen Ausdrucksformen des NS-Lustspiels beschreiben?

Das läßt sich generell gar nicht sagen. Als spezifische NS-Filme lassen sich vielleicht die von Veit Harlan beschreiben. Seine Methode der Inszenierung ist eine sehr emotional betonte, die am Intellekt des Zuschauers völlig vorbeigeht. Das entsprach exakt den spießigen, kleinbürgerlichen, kleinkarierten Vorstellungen des Regimes.

Was ist daran das Spezifische?

Das Emotionsbetonte, das den Menschen im Grunde mit einem Suggestivfahrplan überrollen will. Ihn im Grunde nicht dazu kommen lassen will, daß er zu den gesehenen Bildern eigene hinzuerfindet. Ich liebe Filme, die mir erlauben, mich selbst zu beteiligen. Aber das war vom Regime ja nicht gewünscht: intellektuelle Beteiligung. Nein; diese Harlan-Filme sollten einfach narkotische Wirkung entfalten, das paßte fantastisch ins Konzept der Nazis.

Ich wehre mich aber ganz entschieden gegen Generalisierungen, die den NS-Film betreffen. Es gab eine ganze Reihe von Filmleuten, die alles andere waren als NS-Sympathisanten. Wenn Sie nur an einen Film denken wie „Wir machen Musik“ von Käutner. Der hat sich damals, 1942, auf Weisung von Goebbels im Reichsfilmarchiv die verbotenen Filme des jüdischen Regisseurs Ernst Lubitsch ansehen müssen, um davon zu lernen. Um von dem berühmten Lubitsch-Touch zu profitieren; von der Fähigkeit, Szenen ironisch aufzulösen, ohne sentimental zu werden. Sowas war im Grunde gar nicht systemkonform. Da gibt es Dialoge, die sprühen nur so vor Ironie. Der Film hat von der Sprache her schon subversive Qualitäten. Auf der anderen Seite war der Film vorzüglich geeignet als Sorgentröster in der Zeit der Bombennächte. Das ist die diabolische Ambivalenz dieser Filme. Das will ich auch in unserer derzeitigen Filmreihe deutlich machen: Alle Filme, die wir diesmal ausgewählt haben, sind von Regisseuren gemacht, die alles andere als NS-Sympathisanten waren; aber als Mittel der Ablenkung haben sie vorzüglich ihre Funktion im Sinne der Propaganda erfüllt.

Fragen: Thomas Wolff

In der Reihe läuft heute „Wir machen Musik“ (Regie: Helmut Käutner) und morgen (22.5.) „Frauen sind keine Engel“ (Regie: Willi Forst); jeweils um 19.30 Uhr im Überseemuseum; Eintritt frei