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■ Die Zweiteilung Bosniens ist längst geheim verabredetÜberlaßt Goražde den Serben jetzt!

Noch nie überzeugte Bill Clinton so wenig wie bei seiner Bosnien-Pressekonferenz in der Nacht zum Donnerstag. Es war dem US-Präsidenten anzumerken, daß er wider besseres Wissen redete, als er erneut die Zwecklüge vom bosnischen „Bürgerkrieg“ verbreitete und selbst auf Nachfrage einer Journalistin dabei blieb. Alle Aufklärungsbemühungen der letzten zwei Jahre haben nicht verhindern können, daß diese Zwecklüge heute gemeinsame Sprachregelung der Regierungen in Washington, Moskau, Bonn und den anderen EU-Hauptstädten wie auch der meisten Medien ist. Denn: Die Dinge beim Namen zu nennen, also vom fortdauernden serbischen Angriffskrieg gegen den UNO-Mitgliedstaat Bosnien-Herzegowina zu sprechen, würde den Handlungsdruck erhöhen. Artikel 51 der UNO-Charta verpflichtet die anderen Mitgliedstaaten, dem angegriffenen Staat beizustehen; das Waffenembargo gegen Bosnien müßte aufgehoben werden.

Doch zum notwendigen Engagement für den Erhalt des UNO-Mitgliedstaates Bosnien-Herzegowina besteht heute noch weniger politische Bereitschaft als bei Kriegsbeginn. Nur wenn die Serben es allzu doll treiben, Bilder von zerfetzten Leichen auf dem Marktplatz von Sarajevo oder wie jetzt von der Zerstörung Goraždes weltweit die FernsehzuschauerInnen empören, muß man zumindest Aktivität vortäuschen. So wiederholt sich derzeit das inzwischen unsägliche Ritual von Nato oder EU-Außenministerkonferenzen, Präsidententelefonaten zwischen Moskau und Washington und Pressekonferenzen wie der eingangs erwähnten. In einem Monat (!) soll gar ein Gipfeltreffen der wichtigsten Akteure stattfinden. In einem Monat!

Dabei ist zwischen diesen Akteuren hinter den Kulissen längst ausgemacht, daß Bosnien-Herzegowina zweigeteilt werden soll in eine muslimisch-kroatische Föderation im Westen und einen serbischen Staat im Osten; geteilt durch eine klare, auch durch künftige Peace-keeping-Truppen der UNO leicht zu überwachende Grenze – ohne irgendwelche störende Enklaven hüben oder drüben. Für den Bestand Goraždes, Zepas und Srebrenicas als mehrheitlich von Muslimen bewohnte Städte gibt es keine Unterstützung mehr, geschweige denn Garantien. Doch noch bringt in Washington, London, Paris oder Bonn niemand den Mut und die Ehrlichkeit auf, diese Politik auch offiziell zu verkünden. Dann könnte der Krieg um die Enklaven nämlich aufhören und könnten die 150.000 muslimischen BewohnerInnen „ordnungsgemäß“ in die muslimisch-kroatische Föderation umgesiedelt werden. Statt dessen setzen Moskau und vor allem der Westen ihr zynisches Spiel fort: Sie machen den so schwer bedrängten Menschen immer noch Illusionen und lassen zugleich zu, daß diese weiterhin zu Tausenden umgebracht und verstümmelt werden. Bis eines Tages eine völlig ungeordnete Flucht vor der serbischen Soldateska oder dem Hungertod stattfinden wird, bei der erneut zahlreiche Menschen ihr Leben verlieren werden. Verglichen mit dieser absehbaren Entwicklung wäre es das kleinere Übel, den Serben Goražde jetzt zu überlassen. Andreas Zumach, Genf

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