■ Das Portrait
: Jörg Kuhbier

Fühlt sich da einer unwohl in seiner Haut? Abgewandt, zurückgezogen, die Arme eng ans leger sitzende Jackett gepreßt, hört Jörg Kuhbier zu, wenn andere reden. Das heißt: Hört er wirklich zu? Träumt er nicht gar vom nächsten Urlaub, von einem kniffligen juristischen Fall, der auf dem Schreibtisch seiner auf Umweltrecht spezialisierten Kanzlei wartet? Weiß der Himmel, woran der denkt! Jedenfalls nicht an die Niederungen der Hamburger Provinzpolitik.

Der neue SPD-Chef in Hamburg Foto: Markus Scholz

Denkste. Kaum angesprochen, gibt Kuhbier die Selbstumklammerung auf, rappelt er los, was das Zeug hält. Die Worte überholen sich fast gegenseitig, wenn er eine größere Unabhängigkeit seiner Partei von Regierung und Fraktion einfordert, die Notwendigkeit einer geplanten Müllverbrennungsanlage in Frage stellt oder Senatschef Voscheraus jüngste Richtungsänderung in Sachen Hafenstraße lobt.

Jörg Kuhbier beherrscht das Polit-Repertoire nach 28 Jahren Parteiarbeit perfekt. Auch deshalb hat die SPD- Basis den früheren Umweltsenator am vorletzten Wochenende mit überwältigender Mehrheit zum designierten Chef der Hamburger SPD gekürt. Zwei Gegenkandidaten chancenlos auf den Plätzen. Die Bestätigung durch den Parteitag am letzten Freitag war reine Formsache.

Dabei wollte der 53jährige, der sich 1991 freiwillig aus dem Senat zurückgezogen hatte, erst gar nicht. Oder hat jedenfalls lange Zeit so getan, als wolle er nicht. Hat abgewunken, als ihn der linke Parteiflügel nach dem überraschenden Rücktritt des von rotem Klüngel genervten Helmuth Frahm zur Kandidatur drängte. Hab' ich das nötig? Eingeklemmt zwischen den beiden übermächtigen rechten Spitzengenossen Voscherau (Bürgermeister) und Elste (Fraktionschef) den linken Grußonkel zu spielen?

Das hat er doch alles schon einmal erlebt. Damals im Senat, als er sich mit seinen Positionen zum Ausstieg aus der Atomkraft, zur Beschränkung des Individualverkehrs nur selten durchsetzen konnte, so kompetent er sie auch vortrug. Kein Interesse? Denkste. Kuhbier kandidierte, wurde gewählt und will sich nun bemühen, „ein guter Landesvorsitzender zu sein“. Gelingt ihm das, könnte er in absehbarer Zeit heißer Anwärter für eine zweite vakante Position in der Hamburger SPD werden: Voscherau-Kronprinz. Aber das streitet er natürlich, die Arme vor der Brust verschränkt, heftig ab. Uli Exner