: Polen – unbekanntes Nachbarland
■ Zusammenarbeit von deutscher und polnischer Polizei steckt in den Anfängen
Potsdam (taz) – Für Axel Lüdders, den Chef des Brandenburger Landeskriminalamtes, waren die Zahlen aus dem Nachbarland Polen völlig neu. 185 Millionen mal, referierte der polnische Polizeisprecher, wurde im vergangenen Jahr die deutsch-polnische Grenze insgesamt passiert. 50 Millionen mal mit dem Pkw, zwei Millionen mal mit dem Lkw. Die polnische Republik hat sich damit in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten Transitländer entwickelt – von Nord nach Süd wie auch von Ost nach West.
850.000 Straftaten registrierten die polnischen Behörden insgesamt im vergangenen Jahr. Der Anteil der Rechtsverstöße, die dabei von ausländischen Staatsbürgern verübt wurden, lag – und da staunten die Polizisten aus der Bundesrepublik – bei einer verschwindend geringen Rate von 0,32 Prozent. In absoluten Zahlen: 3.010. In Brandenburg, so Lüdders, lag der vergleichbare Anteil in der bereinigten Statistik bei rund 20 Prozent. Anders als in der Bundesrepublik sind in Polen die Zahlen für die Kriminalitätsentwicklung rückläufig. Im Vergleich zum Vorjahr fiel die Gesamtzahl der registrierten Straftaten um drei Prozent, die der „Ausländerkriminalität“ um eineinhalb. Ein Grund zur Entwarnung sei das allerdings nicht, wie Marek Bienkowski, Kommandant des pommerschen Grenzschutzes, auf dem von der deutsch-polnischen Gesellschaft veranstalteten Treffen zur „Grenzkriminalität“ in Potsdam erklärt. Im Bereich des Schlepperwesens, Autoklaus, Menschenhandels und des Drogen- wie auch Zigarettenschmuggels organisieren sich die Verbrechergruppen demnach zunehmend international, sie gehen immer brutaler zu Werk, zu beobachten sei deren Spezialisierung, etwa darauf, Falschgeld in Umlauf zu bringen.
Vor Ort, das zeigten die verschiedenen Berichte, arbeiten Polizei, Zoll und Zollfahndung an der 250 Kilometer langen Grenze zwischen Brandenburg und Polen relativ gut zusammen. Der kurze Draht, das heißt in der Regel eine Telefonnummer, ersetzt, was der Gesetzgeber noch nicht auf den Weg gebracht hat. Doch je höher die Ebene, desto geringer der grenzüberschreitende polizeiliche Austausch. Ein Vertragsentwurf für die Zusammenarbeit im grenznahen Bereich liegt, wie LKA- Chef Lüdders moniert, noch immer in den Bonner Schubladen. Praktische Maßnahmen, wie Sprachprogramme, der Austausch von Polizisten oder selbst nur die Kenntnis der Rechtsgrundlagen der Partnerbehörden stecken, sofern es sie gibt, höchstens in den Anfängen. Der Informationsaustausch wird zwar angemahnt, doch sind die Datenverarbeitungssysteme etweder nicht kompatibel oder sie werden, wie beim polnischen Zoll, gerade erst eingeführt. Wolfgang Gast
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