: Bewegung ins Theater
■ Alles wird anders: Ab Herbst läuten Susanne Linke und Urs Dietrich im Bremer Tanztheater eine neue Zeit ein
„Mal sehen, ob ich bezähmbar bin“, sagt Susanne Linke, zeigt ihrem Generalintendanten die Zähne und wirft ihre Mähne nach hinten. Nach Jahrzehnten als zumeist freischaffende und weitgereiste Choreografin kommt die 50jährige nun erstmals an ein festes Haus: Ab Oktober wird sie, gemeinsam mit Urs Dietrich, das Bremer Tanztheater leiten. Nun ist sie selbst gespannt, ob und wie der Apparat ihre Tanzsprache verändert. Bei ihrer Vorstellung gestern im Theater am Goetheplatz gab das neue Team nur eine Gewißheit preis: Daß nun alles anders werde, denn „verschiedener als Kresnik und wir kann man kaum sein.“
Linke und Dietrich kommen beide aus dem „Tanzstall Folkwang“. Am Folkwang-Tanzstudio in Essen hatten beide zuletzt gearbeitet. Von dort bringen sie eine Tanzsprache mit, die mit dem dramatischen Gebaren des Kresnik-Tanztheaters wenig gemein hat. „Bewegungstheater“ – auf diesen Nenner bringen beide ihre Kunst; will meinen: Theatralische Elemente sollen eine eher untergeordnete Rolle spielen. „Menschliche Themen“ sollen auf diese Weise bearbeitet werden. Genaueres ab Herbst. „Tanz ist eben ein Beruf, der nicht viel mit Worten zu tun hat“, sagt Linke; „aber in unseren Breitengraden schätzt man ja das Wort mehr als den körperlichen Ausdruck.“
Dietrich, 35 Jahre alt, ist auf dem Umweg über eine Designer-Ausbildung „erst spät“ zum Tanz gekommen. Linke hingegen hat sogar noch die legendäre Mary Wigman kennengelernt: Die drei Jahre, in denen sie am Berliner Wigman-Institut ihre ersten Schritte im Ausdruckstanz machte, zählt sie noch heute zu ihren wichtigsten Einflüssen. In den späten 60er Jahren verfeinerte sie anschließend ihr Hand- und Fußwerk an der Folkwangschule, praktisch in der selben Generation wie Reinhild Hoffmann. Gemeinsam leiteten sie, in der Nachfolge von Pina Bausch, das Folkwang-Tanzstudio. 1978 wagte Hoffmann den Sprung dorthin, wohin ihr die frühere Partnerin nun nachfolgt: ans Bremer Theater. „Es kann schon sein, daß wir am ehesten mit Pina Bausch verglichen werden“, sagt Linke über ihren Stil. Aber vor Überraschungen sei das Publikum natürlich nie sicher: „Vielleicht fliegen ja auch bei uns mal die Fetzen.“
Auf alle Fälle wird das Publikum demnächst fast ausschließlich neue Gesichter auf der Tanzbühne erleben. Linke und Dietrich sind dabei, eine ganz neue Compagnie aufzubauen. Die 13 Mitglieder – sechs Männer und sieben Frauen – kommen aus Europa, Südamerika und den USA nach Bremen. Deren Tanzkunst sollen nicht nur die Bremer genießen: Die künftigen Produktionen des Tanztheaters sollen wieder stärker andernorts aufgeführt werden. Das liegt ganz in der Linie des Intendanten: „In unserer Wirkungsmöglichkeit sind wir nicht auf Bremen beschränkt.“
Mit dem Engagement von Linke und Dietrich will das Bremer Theater vor allem die Bedeutung des Tanztheaters als dritte Sparte betonen – so erklärte es Pierwoß gestern: Man wolle gemeinsam versuchen, „einen Gegenakzent zu setzen“ gegen die bundesweite Tendenz zur Beschneidung des Tanztheaters. „Bremen als Ort des Tanztheaters“ sei außerhalb der Landesgrenzen schon ein Begriff; nur müsse man das „den Bremern immer wieder sagen “. tom
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