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Die Politik der Elbe

■ taz-Serie „Hamburg und seine Städtepartnerschaften“, Teil II : Dresden und Prag Von Torsten Schubert

„Jeder Staat macht die Politik seiner Geographie“, hat Napoleon einst gesagt. Für den Stadtstaat Hamburg bedeutet das nach einem Wort seines früheren Bürgermeisters Kurt Sieveking eine „Politik der Elbe“. Entlang dieses Stromes bestanden schon immer traditionelle kulturelle Gemeinsamkeiten und gewachsene wirtschaftliche Beziehungen. Der Hamburger Hafen war und ist das Tor nach Übersee für den sächsischen-böhmischen Wirtschaftsraum. Elbe und Moldau begründen somit die Verbindung zwischen Hamburg und seinen beiden Partnerstädten Dresden und Prag.

Nicht zufällig ähneln sich die Partnerschaften aus Hamburger Sicht, und ebenso wenig ist es ein Zufall, daß der erste Hamburger Senatsbeauftragte in Dresden, Staatsrat a.D. Helmut Bilstein, inzwischen die Repräsentanz der Hansestadt in der Hauptstadt Prag leitet. „Ich wollte nach Böhmen und ich erfülle dort dieselben Aufgaben wie vorher in Dresden“, sagt er. Nämlich „für Hamburg zu werben“. In beiden Städten unterstützt Hamburg Umweltprogramme und Wohnungsbau. Beide Städte sind gleichermaßen als Wirtschaftsstandorte von hanseatischen Unternehmen gefragt.

Unterschiedlich ist die Geschichte der Städtepartnerschaften. Die Beziehung zu Dresden – im Dezember 1987 unterzeichnet – war eine durch Erich Honecker persönlich genehmigte deutsch-deutsche Städtepartnerschaft. Zum Vertragsabschluß mit Dresden führte letztlich eine „hanseatische Geheimdiplomatie“, deren Zünglein an der Waage nach Aussage von SPD-Mitglied Helmut Bilstein „damals Egon Bahr höchstpersönlich war, der seine engen Kontake hat spielen lassen“.

Die Annäherung an Prag begann gleich nach der dortigen „sanften Revolution“ im Jahre 1990. Für die Partnerschaft genügte ein persönliches Gespräch zwischen dem tschechischen Künstler und Bürgerrechtler Karel Trinkewitz – einem Erstunterzeichner der „Charta 77“ – und Staatspräsident Vaclav

Prag: Für die Partnerschaft genügte ein Gespräch mit dem Präsidenten

Havel. „Ich ging an seinem ersten Arbeitstag um neun Uhr früh zu Havel“, erinnert sich Trinkewitz, der in Hamburg lebt, „und habe ihm die Partnerschaft vorgeschlagen. Damals gab es noch kein Protokoll.“ Havel habe ihm gesagt: Mach das. „Eigentlich hatte er dazu gar keine Befugnis.“ Vielleicht war der Grund, daß Havel Hamburg durch eigene Besuche kannte; sein Verleger (Rowohlt) ist in Reinbek ansässig.

Heute stellt sich die Frage, ob die Partnerschaft zwischen deutschen Städten Bestand haben wird oder Dresden zunehmend nur noch ein wichtiger Wirtschaftsstandort für Hamburg ist, an dem die Hansestadt durch die Städtepartnerschaft viel früher Fuß fassen konnte als andere westdeutsche Metropolen. Die Beziehungen zur Hauptstadt Prag entwickelten sich sehr vielfältig. Die Galerie „Sochor“ am Eppendorfer Baum stellt Werke tschechischer Künstler aus, die Sozialdemokraten aus Prag und Hamburg haben sich getroffen. Es gibt Ausstellungen von Hamburger Künstlern auf der Prager Burg, der Universität Prag wurden von Hamburg 20.000 Bücher für die Germanistik-Studenten geschenkt.

„Langfristig“, so schätzt Karel Trinkewitz, „soll die Beziehung der Hamburger Wirtschaft helfen.“ Doch jetzt würde Prag profitieren. „Wir brachten reiche Freunde in diese arme Stadt.“ Trinkewitz konzentriert sich wieder auf seine künstlerische Arbeit: die Partnerschaft läuft auf allen Ebenen. „Hamburg soll in Prag sogar einen Innenhafen bekommen. Das Gelände ist ein Geschenk an Hamburg.“ Seit dem Versailler Vertrag nach dem ersten Weltkrieg hat Tschechien bereits einen Hafen in der Hansestadt.

Hamburgs Repräsentant in Prag, Helmut Bilstein, sieht sein Engagement in der „Goldenen Stadt“ erst einmal ganz nüchtern. „Die Repräsentanz vermittelt der Hamburger Wirtschaft Gesprächspartner und berät Prag, welche wirtschaftlichen Möglichkeiten es in Hamburg gibt.“ Konkrete Hamburger Projekte: Entwicklung eines modernen Nahverkehrskonzeptes, Fortbildungsveranstaltungen für Mitglieder des Prager Magistrats, beratende Tätigkeit in der Wohnungspolitik, Finanzierung des Klärwerkausbaus: „Der Dreck, der in Prag in die Moldau fließt, ist zehn Tage später in Hamburg.“

Doch Helmut Bilstein erfüllt noch eine andere Aufgabe. „Die Repräsentanz ist ein Ort der Kommunikation.“ Hier würden sich regelmäßig die Mitglieder der „Charta 77“ und andere Dissidenten treffen, die allmählich aus der öffentlichen Politik herausgedrängt würden. „Wenn wir bei uns eine Ausstellung eröffnen, kommen bis zu 300 Menschen.“

Gelegentlich fühlt sich Helmut Bilstein als Böhme, er bewundert die Kultur in Prag: „Als wir noch in den Sümpfen hockten, hatten die schon die Karlsuniversität.“ Und er hat eine „gewisse Neigung zu den Mitgliedern der Charta 77“. Die Revolutionäre hätten in Prag noch eine andere Position als in Dresden, wo sie praktisch gar keine Rolle mehr spielen würden.

Die Probleme der Stadt verkennt er dennoch nicht. Zwar liegt die Arbeitslosigkeit bei null Prozent. „Doch die Löhne sind so niedrig, daß die meisten Prager zwei oder drei Jobs gleichzeitig haben.“ Für Hamburger Unternehmen ein Anreiz, dort zu investieren. Der Gabelstapler-Bauer Jungheinrich hat bereits ein Motorenwerk aus Hamburg verlegt.

Der Kreis zwischen Hamburg, Dresden und Prag schließt sich wieder mit der „Politik der Elbe“. Alle drei Städte haben ein gemeinsames „Hafen-Projekt“ beschlossen: Die Elbe-Moldau Schiffahrt.

Am Freitag Teil III: León

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