Sanssouci: Vorschlag
■ Der beste Straßenmusiker der Welt: Jonathan Richman im Loft
Es gibt doch tatsächlich Leute, die Jonathan Richman noch nicht kennen, wie ich kürzlich erfahren durfte. Nun denn: Er war damals, als es Velvet Underground noch gab, deren größter und penetrantester Fan, gründete anschließend die Modern Lovers, die ein historisches, von John Cale produziertes Punkrock-Album aufnahmen, um sich prompt aufzulösen, weil Richman von dem Krach die Nase voll hatte und lieber akustisch weitermachen wollte. Es begann die Zeit der Begleitbands, die zwar auch Modern Lovers hießen, aber hauptsächlich dazu dienten, einen hochharmonischen Teppich für Richmans Ausflüge in die eigene Kindheit, das eigene Essen, die eigenen Klamotten und die eigene Ehe zu weben. In dieser Zeit machte Richman die liebevollste, offenherzigste, wärmste, glückspendendste Musik dieses Planeten. Als er später auf kleinere Besetzungen oder sogar einzig auf die akustische Gitarre zurückgriff, wurde der Sound zwar schroffer, aber Richman blieb das freundliche Kind, das er immer schon war. Man muß ihn nicht sehen, man kann sein Lächeln hören, seine hochgezogenen Augenbrauen, das schelmische Zwinkern, den ganzen Charme dieser Welt auf einem mittelgroßen, schlecht angezogenen Haufen. Frauen schmelzen dahin, und Männer erstarren vor Neid, wenn sie nicht gerade lachen, sich freuen, einfach glücklich sind.
Seit Jahren nun zieht er allein mit seiner Gitarre durch Europa und Nordamerika. Er fährt mit dem Zug von Auftritt zu Auftritt – das ist billiger, und so kann er von den Konzerten leben. Daß ihm bei diesen stundenlangen Fahrten noch ein paar krude Ideen mehr kommen, darf man vermuten, aber Jonathan Richman besitzt diese Gabe auch in weniger außergewöhnlichen Situationen. Sein letzter Coup ist eine spanische Platte. Da werden vor allem eigene Klassiker wie „Reno“, „The Neighbors“ und „When Harpo Played His Harp“ in spanischen Übersetzungen und ebenso spärlich instrumentiert wie die Originale noch einmal umgesetzt. Die Idee kam Richman natürlich bei einem seiner vielen Auftritte, wo er wieder einmal mit Fremdsprachenkenntnissen glänzen wollte, die er nicht besaß. Auch hierzulande wirft er stolz wie Bolle gerne deutsche Brocken ins Publikum und freut sich wie ein Kind über die eigene Sprachbegabung. Manchmal scheint es so, als vereine er alle positiven US-amerikanischen Klischees in seiner Person. Aber vor allem ist und bleibt Richman der mit Abstand beste Straßenmusiker der Welt. Oder wie der Stern, der bei Musik sonst selten recht hat, diesmal so treffend formulierte: „Hoffentlich kommt dieses Genie nie in die Pubertät.“ Thomas Winkler
Heute, 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg.
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