: Und bitte steckt euch Geld ein...
Kunst und Party: Der Weg von der Galerie in die Sammlung ist meistens länger als die Freude des Künstlers ■ Von Peter Funken
Ein Samstag im April, Schillerstraße 94 – hier ist noch nicht alles getan, Sandhaufen liegen rum, der Schrott gehört in den Container, vielleicht kann man ein paar Koniferen in Holzkübel stellen... Der Kölner Galerist Max Hetzler ist in der dritten Etage eingezogen. Es ist wahr – es gibt keine Zukunft, man muß die Gegenwart gestalten. Die Wände der riesigen Fabriketage sind weiß gestrichen. Corbusier- Möbel, Schreibtische aus Glas, die Bücherregale reichen bis zur Decke. Unglaublich viel Platz.
Der Künstler Gerhard Merz hat zwei gemauerte Kuben aus Travertin – jeder neun Meter lang, drei Meter tief – in den Raum gebaut und die dazwischen stehenden Säulen verkleidet. An der Decke hat Merz eine Batterie von Neonröhren angebracht, die gleißendes Licht verstrahlen. Die Hetzlersche Etage als Galeristen-Olymp: Kellner in Livree schenken rosa Champagner aus. Neben den festungsartigen Skulpturen von Merz schmücken kitschig-tote Dekorationen von Jeff Koons den Raum. Merz wie Koons erscheinen in diesem Ambiente wie Apologeten von Macht und Ruhm, an denen jeder, der Geld besitzt, teilhaben darf.
Max Hetzler, der Schwabe aus Köln in Berlin, ist Galerist und Kaufmann. Seine Flat in der Schillerstraße dient ihm als Verwaltungsetage, Show- und Wohnraum. Hier empfängt er potente Kunden und wird in einer Atmosphäre von Luxus und Internationalität Kunst verkaufen. Endlich – kann man da nur sagen, denn zu lange war das Typische an Berlin, daß die Stadt sich immer wieder und immer nur an Berlin und an nichts als Berlin orientierte. Max Hetzler denkt in anderen Dimensionen und orientiert sich an den Normen von Köln, Paris und New York. In Köln machte sich Hetzler einen Namen mit der Kunst der Konzeptualisten Herold, Mucha, Kippenberger und Kiecol, doch jetzt soll alles anders werden: Zwar will Hetzler in noch zu findenden Galerieräumen Koons, Oehlen, Taaffe, Sherman, Gober, Struth und andere ausstellen, hat aber, so munkelt man, seine „Kölner Mannschaft“ freigegeben und spekuliert mit dem Art-Consulter Helge Achenbach vor allem auf den Hauptstadt-Bauboom. Die sargartigen Monumente des Münchners Merz und Jeff Koons' aufgeblasener Nippes sollen die Eingangshallen von Banken und Konzernen zieren.
Dementsprechend steif-elegant und nadelgestreift war dann auch die Szene bei der Einweihung des Hetzlerschen Domizils. Architekten, Baulöwen, Kommerzienräte wurden gesehen – dazu das bunte Fähnlein der Berliner Kunstszene – die Wangen vom Champagner gerötet im grellen Lumilux-Licht...
Später, Tauroggener Straße 15: In einer Wohnung stellt der malende Gemüsehändler Herbert Volkmann seine Sammlung aus. Angewidert von der wilden Malerei zog er sich Anfang der 80er Jahre aus dem Kunstgeschäft zurück und klinkte sich nach der Maueröffnung wieder ein – als in Berlin auch in Sachen Kunst ein frischerer Wind blies. Volkmanns Sammlung hat es in sich. Anders als bei Hetzler reimt sich hier Kunst nicht auf Macht und Repräsentation. Nicole Hackert vom Art Acker, einem frei operierenden Kunstverein aus dem Scheunenviertel, führt durch die Sammlung: Werke von Damien Hirst oder Elaine Sturtevant stehen neben denen unbekannter Künstler. Nicht der Name zählt, sondern das akute Werk, seine Interaktivität und Diskursfähigkeit. Innerhalb der Sammlung entsteht so Reibung und Schärfe.
Entscheidend für eine solche Collection ist nicht das Geld, vielmehr bedarf es einer guten Nase, Neugierde und Spaß. Direkt für die Ausstellung schuf Sabine Hornig eine auf den Raum bezogene Arbeit. Von Andrea Zittel stammen architektonisch gehaltene Vorschläge zu einer radikalen Funktionalität des Alltags, Michael Krebber arbeitet sich mit seinen durchweg mißlungenen Bildern an der Malerei ab; dazu Fotos von Nan Goldin und Richard Prince, Installationen und Skulpturen von John Miller und Merlin Carpenter. Kunst im Sinne Volkmanns ist Brücke und Vorschlag, sie stellt Fragen zur Kunst und den Themen der Gegenwart.
„Heute ist ein schöner Tag, er wird heut' nacht vorbei sein, geht und fangt den Sonnenschei,n und bitte steckt euch Geld ein, steckt euch ganz viel Geld ein“, singt Funny van Dannen. In seiner Kreuzberger Wohnung findet noch später an diesem Abend eine Geburtstagsfeier statt. Zu Ehren der drei Geburtstagskinder, die sich eingefunden haben, gibt Funny ein Konzert, und alle singen mit. Funny singt „Freundinnen müßte man sein, dann könnte man über alles reden, über jeden“, er singt vom „Fan-Club der Sehnsucht“ und natürlich „Als Willy Brandt noch Bundeskanzler war, da hatte Mutti noch goldenes Haar“. Ich quetsche mich aufs Sofa und werde ganz traurig.
Funny van Dannen stammt aus Tüddern – dem westlichsten Dorf der Bundesrepublik. Wir sind zusammen zur Schule gegangen. Weil er drei Jahre jünger ist, habe ich ihn damals nicht beachtet. Er singt, malt und hat zwei wunderbare Bücher geschrieben: „Spurt ins Glück“ und „Jubel des Lebens“. Kostprobe: „Die Hausfrau Else Schtreng hatte beim Spargelputzen zufällig die Luke zum Nirwana aufgestoßen und vor Schreck gleich wieder zugeknallt. Kreidebleich ging sie ins Wohnzimmer, setzte sich in den Fernsehsessel und massierte ihre weichen Knie. ,Komisch‘, dachte sie, noch halb verrückt vor Aufregung, ,da passiert mir endlich mal was Ungewöhnliches, und ich verlier' die Nerven.‘“
Ob in Bildern oder Texten – Funnys Kunstwerke sind von flämischer Uferlosigkeit und rheinischer Ironie durchsetzt. Melancholie hat seinen Humor getauft. Witzig und böse sind die ins Bild gesetzten Sprechblasen und Unterschriften. Dabei hatte die Galerie Fischer zuletzt erst eine Ausstellung eher lyrischer Bilder des Künstlers gezeigt. Mit Dispersionsfarbe auf Rauhfaseruntergrund gemalt, finden sich auf den Arbeiten „Engeltestgelände“ oder „Die lange Hütte der Geduld“. Nur auf den ersten Blick erscheint diese Malerei heiter impressionistisch, schon bald gewinnt Absurdes und Abstruses die Oberhand. Es ist spät, die Party geht ihrem Ende zu, ich will gehen. Halbnackt, mit silbernem Plastik-Ritter- Helm und Degen in der Hand, überfällt mich Funnys Sohn Henne und behauptet, er wäre Pirat. Gegen Lösegeld kaufe ich mich frei. „Heute ist ein schöner Tag, er ist heut' nacht vorüber, geht und fangt den Sonnenschein, und bitte steckt euch Geld ein, steckt euch ganz viel Geld ein...“ Peter Funken
Galerie Max Hetzler, Schillerstraße 94, Di.–Sa. 11–18 Uhr
Sammlung Volkmann, Tauroggener Straße 15, samstags 13 bis 18 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen