: Getrennt auch im Osten
■ Innerhalb der bündnisgrünen Ost-Landesverbände steht die Einheit von Bürgerrechtlern und Ostgrünen noch aus
Berlin (taz) – Bürgerbewegung und Grüne – geht das zusammen? lautete die Frage, die den langwierigen Vereinigungsprozeß zwischen Westgrünen und DDR-Bürgerrechtlern begleitete. Doch nicht nur im Ost-West-Verhältnis stellt sich die Frage nach dem Maß der Gemeinsamkeit. Auch in jedem der fünf neuen Landesverbände von Bündnis 90/ Die Grünen strukturieren sich die internen Auseinandersetzungen noch immer an der unterschiedlichen politischen Herkunft von Bürgerrechtlern und Ostgrünen.
In den Organisationen von Bündnis 90 hatten sich nach der Wende viele DDR-Oppositionelle zusammengefunden, bei den Ostgrünen dominierten Aktivisten aus der staatlichen Umweltbewegung, die nicht selten Mitglieder im Kulturbund oder auch der SED gewesen waren. Die in der unterschiedlichen Herkunft begründeten Spannungen wurden dann durch den Vereinigungsprozeß der Bundespartei eher weiter verstärkt. Denn während sich die Ostgrünen bereits einen Tag nach der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl zu Minimalkonditionen als grüne Ost-Landesverbände konstituiert hatten, schraubten die Bürgerrechtler aus dem Bündnis 90 den Preis des Zusammengehens nach oben. Die Behutsamkeit der Westgrünen gegenüber dem zögernden Bündnis, die Zugeständnisse in der neuen Satzung und der Status der Bürgerrechtler als „eigentliche Vereinigungspartner“ der Westgrünen geriet für die Ostgrünen zum Affront, der auch die Fusion der Landesverbände belastete. Ein handfester „ostgrüner Minderwertigkeitskomplex“ macht sich auch bemerkbar. Verstärkt wird er vom ungleichen personellen Gewicht. Während PolitikerInnen wie Wolfgang Ullmann, Marianne Birthler, Gerd Poppe oder Konrad Weiß längst auch im Westen Einfluß geltend machen, blieben ostgrüne Spitzenvertreter wie der Bundestagsabgeordnete Klaus-Dieter Feige oder das grüne Vorstandsmitglied Friedrich Heilmann weithin unbekannt.
In der Politik der grünen Landesverbände setzen Bündnis und Ostgrüne nach wie vor unterschiedliche Akzente. Während die BürgerrechtlerInnen die Aufarbeitung der SED-Vergangenheit als einen ihrer Schwerpunkte ansehen, spielt dieses Thema für die ehemaligen Ostgrünen eine untergeordnete Rolle. So sprach sich etwa in Brandenburg Marianne Birthler gegen eine rot-grüne Koalition mit Manfred Stolpe aus, der Landesverband, hat seine Koalitionsaussage – auch mit Stolpe – längst getroffen. In Fragen der Umwelt-, Verkehrs- und Wirtschaftspolitik spielen hingegen die ehemaligen Bündnis-Mitglieder den eher pragmatischen Part, während bei den Grünen die ökologischen Einwände größeres Gewicht haben. In Demokratiefragen agieren die Grünen eher im klassischen Sinne parteizentriert, während die Bürgerrechtler mit der innerparteilichen Vereinigung „Forum Bürgerbewegung“ weiter die Idee einer politischen Konsensfindung auch über Parteigrenzen hinweg verfolgen.
Rund 2.700 Mitglieder haben die Bündnisgrünen in den fünf neuen Ländern. Daß der mühsame Prozeß der Vereinigung in den einzelnen Landesverbänden noch in vollem Gange ist, trägt nicht dazu bei, das Gewicht der Ost-Landesverbände gegenüber den 37.000 Westgrünen zu erhöhen. Wo Ostgrüne und Bürgerrechtler weiter streiten, brauchen die Westgrünen um ihre unangefochtene Dominanz auch in Zukunft kaum fürchten. eis
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