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Bundesverfassungsgericht: Feuer frei für den Joint

■ Das Rauchen der ältesten Kulturpflanze der Menschheit wird endlich ein bißchen legal

Karlsruhe (AP/AFP/taz) – Haschisch- oder Marihuanakonsum in kleinen Mengen darf künftig legal genossen werden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied in einem gestern veröffentlichten Urteil, daß die Behörden von Strafverfolgung absehen müssen, wenn Cannabisprodukte nur in geringen Mengen und nur zum gelegentlichen Eigenverbrauch erworben, eingeführt und besessen werden und wenn eine Fremdgefährdung nicht eingetreten ist. Gleichwohl ist der Erwerb und Konsum der Rauschmittel, wie im Betäubungsmittelgesetz festgeschrieben, grundsätzlich weiter strafbar. Die Richter verpflichteten in ihrer Entscheidung die Länder dazu, einheitliche Grundsätze dafür aufzustellen, wann Erwerb und Besitz geringer Mengen zum Eigenverbrauch nicht strafrechtlich verfolgt werden. Während die jetzt festgelegte Straffreiheit vor allem in SPD-regierten Bundesländern schon praktiziert wird, sieht der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) in dem Urteil ein „falsches Signal“. Der Zugriff auf die „hinterlistige Droge Haschisch“ werde erleichtert.

Nach Auffassung des BVG sind die von Cannabisprodukten ausgehenden Gefahren nach dem heutigen Stand der Wissenschaft zwar geringer, als der Gesetzgeber dies bei Verabschiedung des Gesetzes angenommen habe. Sie seien aber immer noch so beträchtlich, daß die Konzeption des Betäubungsmittelgesetzes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit stoße hier an eine Grenze. Weder lasse sich aus diesem Grundrecht ein „Recht auf Rausch“ ableiten, noch falle der Umgang mit Drogen unter das Persönlichkeitsrecht. Diese Argumentation hatte der Lübecker Richter Wolfgang Nescovic im Februar 1992 in seiner Richtervorlage gegenüber dem BVG geltend gemacht und zudem betont, daß das Cannabisverbot auch gegen den Gleichheitssatz verstoße. Der Gesetzgeber sei verpflichtet, „wesentlich Gleiches“ auch gleich zu behandeln. Das tue er aber nicht, wenn er die wesentlich schädlicheren Drogen Nikotin und Alkohol erlaube und Haschisch unter Strafe stelle. Das BVG meinte dagegen, daß Nikotin kein Rauschmittel ist. Die berauschende Wirkung von Alkohol werde „durch soziale Kontrolle überwiegend vermieden“. Zudem könne der Gesetzgeber den Genuß von Alkohol „wegen der herkömmlichen Konsumgewohnheiten in Deutschland nicht effektiv unterbinden“. Kommentar Seite 10

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