: Treu und brav
■ Altonaer Museum: Ausstellung des „Hör Zu“-Maskottchens Mecki
Damals galt die Coca-Cola noch als exotisches amerikanisches Kulturgut, Kühlschränke und Mixer schienen der Inbegriff der modernen Lebensführung. Und PR nannte man noch „Reklame“. 1950 startete die Hamburger Illustrierte Hör Zu einen PR-Feldzug, der sich an ihrem Redaktionsmaskottchen orientierte, dem Igel „Mecki“. Er kommentierte nicht nur Berichte der Gazette und war die Hauptfigur der Bildergeschichten auf der Kinderseite sondern tauchte auch in der Kiosk-Werbung, als Steiff-Tier-Puppe und als Figur in den Mecki-Märchenbüchern auf. Seine damalige Popularität in Deutschland läßt sich mit der der amerikanischen Ente Donald Duck durchaus vergleichen.
Das Altonaer Museum zeigt in „Mecki – die große Sonderschau für alle“ Originalzeichnungen, Puppen und Plagiate, igelige Kleinbürger-Idyllen und Animationsfilme, Mecki-Plakate, -Aschenbecher und -Lampions. Das große Mecki-Kompendium wird komplettiert von einer Vitrine, die über den wahren „Kleinohrigel (Ecinaceus)“ Auskunft gibt: Ein kleiner Witz des Projektleiters Torkild Hinrichsen, der auch die Idee für die Ausstellung hatte. Gegenüber dem biederen und moralin-sauren Comic-Stacheltier gibt sich das lebende Pendant geradezu anarchistisch: „Er ist vor allem nachts unterwegs, frißt Insekten, Würmer, Obst.“
Mecki war nicht nur als Werbeträger des Axel-Springer-Blättchens Hör Zu gedacht, sondern auch als Identifikationsfigur einer ganzen Generation, die sich nach dem Krieg nach dem einfachen Leben und Heimeligkeit sehnte. Damit wandte sich der „Ik bün all dor!“-Igel von seiner im 18. Jahrhundert erfundenen Rolle ab, die ihn als proletarischen Gewinner gegenüber dem vornehmen Bürger Herrn Hase darstellte, der trotz seiner Überlegenheit – der langen Beine – durch des Igels List den Wettlauf in Buxtehude verliert.
Das Altonaer Museum zeigt die Entstehungsgeschichte recht ausführlich, von der griechischen Fabel angefangen über die Version der Gebrüder Grimm bis hin zu einem Film von 1937, den die Gebrüder Diehl im Auftrag der Reichsstelle für den Unterricht (“für Pimpfe und Jungmädel“, so das Stuttgarter Neue Tageblatt 1939) drehten. Dieser diente später den beiden Hör Zu-Zeichnern Wilhelm Petersen und Reinhold Escher als Vorlage für den Mecki-Igel. Denn der damalige Chefredakteur der Illustrierten, Eduard Rhein, bekam nach Kriegsende ein Szenenfoto im Postkarten-Format in die Hand und ließ sich so zu seinem „Redaktions-Maskottchen“ inspirieren.
Doch der Wind des Nazi-Tums wehte noch weiter in den Mecki-Geschichten. Wilhelm Petersen, von 1953 bis 1964 Zeichner – hauptsächlich für die Mecki-Bücher –, wurde 1938 zum Kunstprofessor geadelt, ein Titel, den der SS- und NSDAP-Mann aufgrund seines braunen Kunstverständnisses erhielt, das in der Hör Zu konsequent durchschimmert. Besonders Nasen von Verbrechern geraten bei Petersen immer wieder zum typischen „Gesichtserker“ (NS-Jargon), der angeblich Juden und Jüdinnen auszeichnen soll.
Escher, gelernter Zeitungszeichner, arbeitete schon 1949 an den Mecki-Geschichten, 1976 verließ er die Hör Zu. Sein Stil unterscheidet sich etwas von Petersens, er erscheint klarer und moderner. Den Text für die Bücher als auch für die Illustrierten-Comics fabrizierte der Hör-Zu-Chefredakteur Eduard Rhein und seine Untergebenen. Die Mecki-Plakate dagegen stammen von Hans Held. Von 1976 an bis 1985 verschwand Mecki im Zuge der geänderten Meinung der Chefredaktion. Dann wurde Volker Reiche die Bebilderung übertragen, er zeichnet die reduzierten und mit Sprechblasen versehenen Comicstrips bis heute.
Die Funktion der Leitfigur des kleinbürgerlichen Lebens hat Mecki heute nicht mehr inne: Zu treu, obrigkeitsgläubig und brav erscheint er in der schnellen Medienwelt. Geblieben ist eine Comic-Figur für Kinder. Und eine Erinnerungs-Welt für diejenigen, die mit Mecki und seiner Tierfamilie aufwuchsen. Für solche ist auch die Ausstellung im Altonaer Museum vorwiegend gedacht, die wie eine Nachlese einer Nachkriegs-Epoche wirkt. Annette Bolz
Altonaer Museum, noch bis zum 26. Juni, Di bis So, 10 bis 18 Uhr.
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