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Im Milchbad der Kunst

■ John Cale, David Byrne und Laurie Anderson gastieren im Mai in Hamburg

Die Vorstellung von deutschen Künstlern, die sich musikalisch ausleben, erweckt zwangsläufig ein gewisses Grausen. Immer hat der zuckende Hang des Künstlers zur Popmusik etwas von „Das ist doch keine Kunst“. Und diese Herablassung hat es auch verhindert, daß es je eine operative Einheit der beiden Sprachen gab, die für sich stehen konnte. Was in Deutschland existiert, ist ungefähr von dem Schlag: Jörg Immendorf, Udo Lindenberg und Wilhelm Wieben singen zusammen mit ein paar Kiez-Luden an Immendorfs Hans-Albers-Rübenzahl „Goodbye Johnny“.

Andy Warhol ist es wesentlich mit zu verdanken, daß dies in den USA anders wurde. Seine empfindliche Nase für authentischen Ausdruck in der wartenden Welt der Konsumenten hat ihn früh zu der Umarmung mit dem musikalischen Genius geführt. Seine Pop-Art war immer geprägt von dem Respekt vor der schlichten Größe, sei es bei der gemalten Dose oder beim Song, beim Star oder beim Drop-Out. Und seine nicht nur ressentiment-freie sondern hochgradig von spießigen Kategorien emanzipierte Art der Anerkennung von Popmusik hat beim Besuch eines Clash-Konzertes in New York ebenso funktioniert wie bei der Protegierung von Velvet Underground.

Wahrscheinlich wäre John Cale einen Weg auch ohne Warhol gegangen, aber es wäre sicherlich nicht dieser gewesen. Und auch David Byrne und Laurie Anderson verdanken ihren Erfolg nicht unwesentlich einer Kartographie des Geschmacks, die auf den Mann mit der weißen Perücke und dem verbindlichen Lächeln zurückgeht. Er hat die Landschaft geflutet, aus der sie wachsen konnten. Doch was kommt dann?

John Cale ist sicherlich die integerste Persönlichkeit der drei. Er ist - von der kleinen Versuchung der VU-Reunion-Tour einmal abgesehen - nie der Megalomie erlegen. Das „Super“ vor dem Star war ihm schnuppe. Lieber unternahm er mit Bob Neuwirth das jetzt auf Platte erscheinende Last Day On Earth-Spiel, welches er jetzt ein zweites Mal in Hamburg spielt, als noch eine weitere VU-Reihe zu geben. Die bitter-zynischen Lieder über die Befindlichkeiten der kapitalistischen Selbstzerstörung werden ihm nie den MTV-Video-Award eintragen, aber sie werden in einer mittelfristigen Zeitlosigkeit als schönes soziales Monument überleben. Zwischen typisch Caleschen Songs über „Broken Hearts“, die gut für das Geschäft sind, und schrägen Ausflügen mit Viola und Trommeln und Country-Songs darüber, daß immer die Falschen verhaftet werden, ist jenes Konzept von Kunst und Musik zu lesen, das beide Seiten ernst nimmt und damit zu überragenden Ergebnissen kommt. Eine bravouröse Platte.

Ganz anders David Byrne. Sein neues Album klingt wie das traurige Surrogat großer Jahre, in denen er mit den Talking Heads, Brian Eno und anderen sowohl spätere Pop-Crossover-Resultate vordefinierte, als auch mit perfektem Kitsch in die Charts einstieg. All dies wirkt jetzt geknickt, mit der aggressiven Trotzigkeit wilden Geschrammels und verzerrten Gitarren hilflos beiseite gefegt. Jede Melodie des ungeölten Leidensgesangs ist eine Wiederholung, jede Songidee so unoriginell wie ein Viva-Moderator. Keine Schläue, keine kreative Neurose beflügelt Byrnes Soloarbeit mehr in die oberen Stockwerke der faszinierenden Spinnerei. Hier ist Kunst nur noch Bemühung, das Erbe verspielt.

Laurie Anderson ist bei der Kunst-Pop-Kreuzung sicherlich am offensivsten, aber auch am qualitätsschwankensten. Über ihren kommenden Auftritt läßt sich aus diesem Grund nur relativ blind orakeln. Vielleicht um ihr doch recht affektiertes Erzählspiel von vor zwei Jahren im CCH vergessen zu machen, wählte sie diesmal den traditionellen Ort für amerikanische Performerinnen: die Fabrik. Hier, im Biernebel deutscher Intellektualität, wird sie einen neuen „Illustrated Lecture“-Versuch starten. Diesmal aus einem demnächst erscheinenden Buch, das zwanzig Jahre ihres Schaffens zusammenfaßt, sowie aus der Performance Stories From The Nerve Bible.

Till Briegleb

Cale/Neuwirth: 24.5., Große Freiheit

D. Byrne: 31.5., Musikhalle

L. Anderson: 18.5., Fabrik

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