: „Niemand gibt freiwillig seine Roots auf“
■ Youssou N'Dour zu Rassimus, schwarzer Identität und dem modernen Afrika
Youssou N'Dour galt bereits als Star in Westafrika, als ihn Peter Gabriel 1984 für seine Welttournee anheuerte. Eyes Open, sein drittes internationales Album, erschien auf dem Label eines weiteren Mentors, des Filmemachers Spike Lee. Zu seiner Deutschlandtournee erscheint das Album The Guide. Es ist nach dem bewährten Strickmuster der N'Dourschen Musik gewirkt: Autochtone afrikanische Klangbasis unterfüttert mit popmusikalischen Produktionstechniken.
taz: Außer den englischen Titeln versteht das europäische Publikum bei Deinen Stücken kein Wort. Was für eine Sprache ist das?
Youssou N'Dour Die Texte sind in Wolof, jenem Dialekt, der von 90 Prozent der senegalesischen Bevölkerung gesprochen wird. Mein Studio habe ich Xippi genannt, was auf Wolof soviel wie „die Augen öffnen“ bedeutet, mein letztes Album heißt ebenfalls Eyes Open. Die meisten Titel sind nur in Englisch, damit auch Leute wie Du etwas verstehen.
Von was handeln die Stücke?
Sie handeln ganz allgemein von der Gesellschaft in der ich lebe und wie ich diese erlebe. Manchmal höre ich auch einfach zu, was mir meine Freunde erzählen und schreibe darüber.
Im Senegal leben 80 Prozent Muslime. Führt das zu fundamentalistischen Konflikten?
Da sich der muslimische Glaube sehr gut der senegalesischen Lebensart angepaßt hat und nicht fanatisch ausgelebt wird, gibt es kaum Probleme.
Lèopold Sèdar Senghor ist neben Dir wohl der bekannteste Senegalese. Senghor, der nach der Revolution zwanzig Jahre bis 1980 Staatspräsident war, ist heute aber wegen seiner autoritären Regierungsform umstritten.
Er hat viel bewegt im Senegal, aber wie bei allen großen Männern gibt es auch bei Senghor Licht und Schatten. Ich respektiere ihn aber sehr als Dichter. In meinen Texten findet sich allerdings wenig von seiner philosophischen Strömung.
In der Popgemeinde werden gerne alle Ethno-Beats aus der sogenannten Dritten Welt in den großen Topf der Weltmusik gesteckt. Gehörst Du auch hinein?
Ich habe keine Ahnung, was „World Music“ tatsächlich ist, kann mich diesem Konzept nicht anschließen. Ich verstehe mich als moderner afrikanischer Musiker, wobei mir die Kombination von modern und afrikanisch wichtig ist.
In „Chimes of Freedom“ benutzt Du ein Akkordeon. Nicht gerade der Inbegriff eines afrikanischen Instruments.
Das Akkordeon ist natürlich kein typisch afrikanisches Instrument. Es kommt aber darauf an, wie man es spielt. Jedes Instrument kann durchaus afrikanisch klingen, wenn es jemand mit einem afrikanischen Gefühl für Tonleitern, Rhythmen und Harmonien spielt.
Zahlreiche Afrikaner, die in Deutschland leben, legen sich ein afro-amerikanisches Image zu. Ist Afrika unter den Schwarzen in Europa weniger angesehen als New York?
Ja, das liegt an der Denkweise in Europa. Wenn man Afrika respektieren würde, bestünde nicht die Notwendigkeit, sich in eine andere Identität zu zwängen. Niemand gibt freiwillig seine „roots“ auf. Afrikaner schlüpfen doch nur in die Identität des Afro-Amerikaners, weil sie so weniger Schwierigkeiten haben.
Was kann man daran ändern?
Der Westen hat eine eingefrorene und festgeschriebene Vorstellung von Afrika. Gerade wurde ich von einem Journalisten gefragt, ob Afrikaner überhaupt mit Popmusik vertraut sind. Solch reaktionäres Gedankengut sitzt in den Köpfen fest. Sie versperren sich dem Fakt, daß Afrika längst eine moderne Seite besitzt. Mit dieser Seite könnte der Westen wesentlich besser kommunizieren. Doch leider hat sich hier eine Vorstellung von Afrika etabliert, die auf Elementen fußt, die im gegenwärtigen Afrika so gut wie nicht mehr existieren.
Auf der anderen Seite beziehen sich aber zahlreiche Afro-Amerikaner durchaus positiv auf Afrika.
Das ist eine Sache der Afro-Amerikaner, die in Afrika ihre Wurzeln suchen. Man darf darüber aber nicht die grundsätzlichen Unterschiede zwischen afrikanischer und amerikanischer Lebensweise vergessen. Es birgt einige Hindernisse, seine Wurzeln zu suchen.
Volker Marquardt
17.5., Fabrik, 21 Uhr
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