: Flohmarkt-Feeling futsch
■ Standmieten rauf, Wetter mies und keine Disziplin beim Müllsammeln
„Früher hat der Flohmarkt mehr Spaß gemacht“, meint die Frau, die vor dem Organisations-Wohnwagen im kalten Wind zittert. „Jetzt klauen die Leute wie die Raben, erst neulich haben sie mir eine große Schüssel vom Stand gestohlen, ohne daß ich überhaupt was gemerkt habe. Die Polen kommen hier mit Neuwaren an, die sie nicht verzollen und die unschlagbar billig sind. Klar, die müssen auch leben, aber wir verkaufen nichts mehr. Und jetzt auch noch das.“
„Das“ ist die Preiserhöhung für Standmieten, die der Flohmarktbetreiber Breminale zum gestrigen Tag der Arbeit durchgesetzt hat. Sieben Mark statt fünf Mark pro Meter kostet jetzt ein Stand auf der Bürgerweide. Für die monatliche Reservierung eines Platzes zahlen die Stammkunden 50 Mark im Monat, darauf kommt die Standmiete. „Ich zahle mindestens 100 Mark im Monat, das lohnt sich kaum noch“, meint ein Verkäufer von Second-hand Kleidung. „Ich überlege mir, ob ich weiter hierher komme.“
Das gute Flohmarkt-Feeling von letztem Jahr, als die HändlerInnen und BesucherInnen dem Stadtamt die Weiterführung des regelmäßigen Flohmarktes am Sonntag morgen abtrotzten, ist dahin. „Die Stimmung ist schlecht“, sagen die Händler. Auch Harald Siegel von der „Breminale“, die seit August letzten Jahres den Flohmarkt betreibt, weiß, daß es ein hartes halbes Jahr war. „Aber die Leute sind nicht unzufrieden mit dem Veranstalter, sondern vor allem mit dem schlechten Winter. Es hat beinahe jeden Sonntag geregnet, da macht Flohmarkt natürlich keinen Spaß und die Kunden bleiben auch weg.“ Die Breminale will auch einen einheitlichen Stil für den Markt durchsetzten und Stände nur noch auf Tischen erlauben – Manche HändlerInnen dagegen wollen lieber auf dem Boden sitzen bleiben.
Die Erhöhung der Standgebühren, so Siegel, sei dringend notwendig, um die Müllabfuhr zu bezahlen: „Die Müllkosten sind explodiert.“ Denn an einem normalen Flohmarkttag fallen nach seiner Aussage drei große Container Müll an: „Die Müllgebühren sind gestiegen und wir müssen alles jetzt nach Glas, Papier, Kunststoffen und Sperrmüll trennen. Das kostet Personal und Geld.“ Siegel beklagt eine zunehmende Verluderung der Sitten. „Bei manchen Leuten macht sich Disziplinlosigkeit breit. Wenn alle ihren Müll selber einsammeln würden, müßten wir auch die Gebühren nicht erhöhen. Aber so werden die Mehreinnahmen die gestiegenen Kosten im Sommer abdecken, mehr nicht.“
Gerade das hat aber die „Initiative zum Erhalt des Flohmarkts“ der Breminale vorgeworfen: Bei 1.000 Meter Standfläche im Durchschnitt werde der Betreiber pro Sonntag 2.000 Mark mehr in der Kasse haben, wofür 130 Leute eine Stunde saubermachen könnten: „So groß ist die Bürgerweide nun wirklich nicht“, heißt es in einer Erklärung. Der Verdacht der Initiative: Die Breminale, der in diesem Jahr ein Zuschuß von 220.000 Mark für das Kulturspektakel Breminale vom Senat gestrichen worden sind, wolle sich über diese Mehreinnahmen sanieren. „Das stimmt so nicht“, widerspricht Siegel. „Wir sind ein Unternehmen, das Gewinn machen muß, aber die Breminale rechnet sich auch ohne Flohmarkt. Wir haben zwei große Sponsoren an Land gezogen und hoffen, bei der Breminale plus-minus Null zu machen.“
Die Händler mit festen Plätzen sind sauer auf die Preiserhöhung (Siegel: „Die eine Hälfte der Händler ist dafür, die andere dagegen“). Die regelmäßigen Kunden sind aber auf die anderen VerkäuferInnen, die selten kommen und ihrer Meinung nach den Müll machen, auch nicht gut zu sprechen. „Warum zahlt man nicht morgens zehn Mark Pfand und bekommt sie zurück, wenn mittags der Platz sauber ist“, meint ein Trödler. „Das wäre doch gerecht“. Aber ein Riesenaufwand an Bürokratie und Personal und außerdem eine Verzögerung der Abfahrt nach Ende des Flohmarktes, argumentiert die Breminale. „Fünf Mark pro Standmeter war der billigste Preis in ganz Deutschland, und auch sieben Mark sind noch unter dem normalen Preisniveau“, meint Harald Siegel. Er hat keine Angst, daß wegen der Preiserhöhung nun HändlerInnen wegbleiben: „Im Sommer müssen wir Leute abweisen, weil die Stellplätze voll sind, daran wird sich nichts ändern.“
Bernhard Pötter
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