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Den Hochschulen droht der Rotstift-Kollaps

■ Weitere Kürzungen um 55 Millionen Mark gefährden an den Unis den gesamten Mittelbau / Schon jetzt Millionen-Defizite

An den Universitäten drohen nach Bekanntwerden weiterer Finanzkürzungen neue Proteste der StudentInnen. Die Freie Universität, die Technische Universität und die Humboldt-Universität, so sieht es der Nachtragshaushalt vor, sollen dieses Jahr noch einmal 55 Millionen Mark weniger erhalten. Bislang war nur von 20 Millionen Mark die Rede, die zusätzlich eingespart werden müssen. Finanzstaatssekretär Werner Heubaum (SPD) schätzt aber nun, daß von den 74 Millionen Mark „pauschaler Minderausgaben“ im Etat der Wissenschaftsverwaltung etwa drei Viertel auf die Personalhaushalte der Hochschulen entfallen.

Doch weitere Einsparungen in Millionen-Höhe würden den Mittelbau an den Hochschulen endgültig dem Kollaps nahebringen. Denn gespart werden kann in der Regel nur an studentischen Hilfskräften und wissenschaftlichen Mitarbeitern. Im Gegensatz zu Professoren haben diese kurzfristige Verträge, die nicht verlängert werden brauchen.

An der TU darf bereits seit 1.Januar keine der rund 2.000 Stellen bei den studentischen Hilfskräften neu besetzt werden. Diese Regelung sollte zum kommenden Wintersemester aufgehoben werden. Doch bei einer neuen Sparrunde befürchtet der Personalrat, daß Arbeitsverträge in diesem Jahr gar nicht mehr verlängert werden können. Ein Drittel aller Stellen würde wegfallen, berichtete Alexander Neddermeier, Mitglied im Personalrat, auf Anfrage. Unter anderem davon betroffen: ChemielaborantInnen, medizinisch-technische MitarbeiterInnen und BibliothekarInnen.

Auch an der Freien Universität (39.000 Studienplätze) werde bereits „geholzt“, sagte FU-Sprecher Christian Walther. Schließlich sehe der Hochschulstrukturplan vor, die Zahl der Studienplätze bis zum Jahr 2003 an der FU um 10.000 und an der TU um 5.000 zu reduzieren. Insgesamt kommt auf die Freie Universität der Abbau von 1.300 Stellen zu. Weil Professoren die Hochschulen altersbedingt überwiegend erst nach dem Jahr 2000 verlassen, seien von den Kürzungen fast ausschließlich die ständigen Hilfskräfte und wissenschaftlichen Mitarbeiter betroffen, meinte Walther.

An der Humboldt-Universität (mit der Charité insgesamt 19.500 Studienplätze) müsse bereits an Personalkosten und Sachausgaben gespart werden, weil dieses Geld dringend für das Anmieten von Gebäuden gebraucht werde, berichtete Präsidialamtsleiter Andreas Kreßler. Das diesjährige Haushaltsdefizit belaufe sich auf 19 Millionen Mark – ohne die im Nachtragshaushalt vorgesehenen weiteren Einsparungen.

Nachdem Tausende von Studenten Ende vergangenen Jahres aus Protest das Abgeordnetenhaus besetzt hatten, regt sich an den Universitäten nun erneut Widerstand. Am kommenden Mittwoch – einen Tag bevor das Parlament den Nachtragshaushalt verabschieden will – soll es einen Ratschlag im Lichthof der TU geben (14 Uhr). Wie Personalratsmitglied Neddermeier ankündigte, wird es dabei nicht nur um die Auswirkungen der neuen Sparrunde gehen, sondern auch um angemessene Protestaktionen. Im Gespräch ist, am Donnerstag vor dem Abgeordnetenhaus zu demonstrieren. Dirk Wildt

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