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„Die Idee ist in Hamburg sehr lebendig“

■ taz-Serie „Hamburg und seine Städtepartnerschaften“, Teil IV: Ein Gespräch mit Christl Howaldt, der Beauftragten des Senats für Städtepartnerschaften Von Torsten Schubert

taz: Frau Howaldt, Hamburg hat sieben Partnerstädte in Europa, Asien und Amerika. Chicago wird demnächst als achte Partnerstadt hinzukommen. Wozu dienen diese Städtepartnerschaften?

Christl Howaldt: Viele Bürger fragen immer wieder nach dem Nutzen der Städtepartnerschaften, statt selbst zu überlegen: Was kann ich persönlich dazu beitragen, damit ein lebendiger Austausch zustande kommt.

Keine andere deutsche Großstadt unterhält so rege Kontake zu ihren Partnerstädten, wie Hamburg. Allein mit St. Petersburg bestehen 40.000 familiäre Kontakte. Für mich ist das ein Phänomen, ein Wunder. Besonders wichtig sind Begegnungen zwischen jungen Menschen, denn die sollen die Städtepartnerschaften ja später auch weitertragen.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Die Städtepartnerschaften bieten eine große Chance. Wir können ganz verschiedene Menschen zu uns herholen, um ihnen zu zeigen, wie es hier zugeht – und wir können uns bei ihnen umsehen. Das weckt das Interesse füreinander und das Verständnis für andere Lebensformen. So gab es gleich nach der Öffnung des Ostens erste Kontakte zwischen dem Hamburger Staatsorchester und der damaligen Leningrader Philharmonie. Mittlerweile sind daraus viele private Freundschaften zwischen den Musikern entstanden; St. Petersburger spielen im Hamburger Orchester und umgekehrt. Ähnliches gibt es im Bereich Wissenschaft: Studentenaustausche und Kooperationsverträge mit Universitäten.

Haben die Städtepartnerschaften nicht auch wirtschaftliche Gründe?

Auch die Wirtschaft zeigt großes Interesse an den Partnerstädten. Richtig ist: Dort wo wir Städtepartnerschaften pflegen, sind auch unserer Wirtschaft mehr als anderswo Tür und Tor geöffnet.

Wie werden die Städtepartnerschaften vom Rathaus aus organisiert?

Als ich hier angefangen habe, betreute jeder Referent beim „Protokoll Ausland“ ein bis zwei Partnerstädte. Seit drei Jahren bin ich nun Referatsleiterin und auf einmal hatte ich sie alle. Ich weiß auch nicht wieso.

Mit zwei Mitarbeiterinnen bearbeite ich Anträge für eine Fülle von Partnerschaftsprojekten – die alle wichtig sind. Wir planen Besuchsprogramme und Reisen, erstellen eine Bilanz der Projekte. Manchmal gehe ich auch los und versuche Geld an Land zu ziehen. Ein Bankdirektor soll einmal zu einem Kollegen gesagt haben: Seien Sie bloß vorsichtig, wenn Sie Frau Howaldt empfangen – das wird meist teuer.

Natürlich muß ich auch ständig über die aktuellen Ereignisse in unseren Partnerstädten informiert sein. Man kann diesen Job nur machen, wenn man voll dahintersteht. Ich gehe morgens gerne ins Büro und gehe abends - meistens spät - auch gerne wieder weg.

Was kosten die Städtepartnerschaften?

Für dieses Jahr stehen dem Referat eine Million Mark zur Verfügung. Dieses Geld wird je nach Bedarfslage auf die einzelnen Partnerschaftsprojekte verteilt.

Woran liegt das besondere Hamburger Engagement für seine Partnerstädte, das Sie erwähnt haben?

Ich glaube, lebendige Städtepartnerschaften entstehen nur, wenn sie von möglichst vielen Menschen getragen werden. Hamburg nimmt die Bemühungen seiner Bürger um die verschiedenen Partnerstädte ernst. Viele private Initiativen werden von offiziellen Stellen unterstützt – wenn es sein muß auch schon einmal auf unkonventionelle Art und Weise. Außerdem interessieren wir uns gleichermaßen für alle Partnerstädte.

Hamburg hat also keine Lieblingspartnerstadt?

Je nach Gegebenheiten und Erfordernissen gibt es Schwerpunkte im offiziellen Engagement. Das war deutlich nach der Öffnung des Ostens zu sehen. Da gab es verstärkte Hilfsmaßnahmen für St. Petersburg, Dresden und Prag. Hamburg hat heute durch die Rückgewinnung seines Hinterlandes ja eine ganz andere Position. Aber auch die Beziehungen zu Shanghai haben sich verändert. Studenten können dort mittlerweile in chinesischen Familien wohnen – vor einigen Jahren noch undenkbar.

Damit verändern sich natürlich auch die Beziehungen auf offizieller Ebene. Mit allen Partnerstädten sind jetzt enge Kontakte ohne große und teure Reisen möglich. Ich kenne alle meine Ansprechpartner persönlich und weiß, mit wem ich telefonieren muß.

Wann wird die Partnerschaft mit Chicago besiegelt?

Die Verhandlungen sind abgeschlossen, leider hat es bisher aber noch keinen Termin für die Unterzeichnung der Partnerschaftserklärungen gegeben. Wahrscheinlich wird es erst im Herbst zu einem Treffen kommen. Doch schon jetzt erhalte ich jede Woche drei bis vier Anrufe von Menschen, die etwas über Chicago wissen möchten oder dort einen Ansprechpartner suchen. Das hätte ich in einer Großstadt wirklich nicht für möglich gehalten. Und auch das zeigt, wie lebendig die Idee der Städtepartnerschaften in Hamburg ist.

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