: Provinzposse um Telefonbuch mortal
■ Riesenwirbel um Bestatter-Werbung auf dem Rotenburger Telefonbuch / „Geschmacklos
Rotenburg/Wümme „Geschmacklos ist nicht mehr ausreichend.“ Dem früheren stellvertretenden Oberkreisdirektor von Rotenburg/Wümme, Johannes Jopke, fehlen vor Empörung die Worte. Grund dafür ist das Titelblatt der neuen Ausgabe des örtlichen Telefonbuchs. Das ziert, halbseitig, die Werbung eines ortsansässigen Bestattungsunternehmers. Das Foto der Anzeige zeigt im Hintergrund einen von Sonnenstrahlen durchbrochenen Wolkenhimmel, im Vordergrund einige Bäume im Schattenriß, darüber den Schriftzug des Bestattungsunternehmers, daneben ein großes Kreuz.
„Viele Kunden waren empört, ein paar waren eher belustigt“, berichtet Helga Kaers, Stellenvorsteherin beim Postamt in Rotenburg, wo das Örtliche seit gut einer Woche ausgegeben wird. Die Empörung hat aber mittlerweile die Grenzen Rotenburgs überschritten. „Einige unserer Kunden empfinden die Anzeige als dauerhafte Konfrontation mit dem Tod“, sagt Herbert Jung, Bezirksdirektor der Deutschen Telekom Medien (DeTeM) in Bremen. Die hat das Örtliche zusammen mit einem hannoverschen Verlag herausgegeben und vermarktet es auch. „Wenn ich die Anzeige vor dem Druck gesehen hätte, ich hätte sie herausgenommen. Schließlich soll das Örtliche ein Buch sein, das man gern zur Hand nimmt“, meint Jung. Der Verlag hätte vor Abdruck der Anzeige bei der DeTeM anfragen müssen.
Im Heise-Verlag (Hannover) versteht man die Aufregung nicht. „Wir nehmen unseren Kunden viel Geld ab, da können wir ihnen nicht in die Gestaltung der Anzeigen hineinpfuschen“, sagt Verkaufsleiter Hans Stoffmehl. Er vermutet eine gezielte Kampagne des Rotenburger Konkurrenzunternehmers. Mit diesem zweiten habe der Verlag nämlich seit dem vergangenen Jahr „Schwierigkeiten“.
Rotenburg hat für seine 20.000 Einwohner nur die beiden Bestatter. Im vergangenen Jahr zierten beide gemeinsam die erste Seite des Örtlichen, in den Jahren davor war der zweite Unternehmer allein auf der ersten Seite. Mit der Strukturreform der Titelseiten bei allen Telefonbüchern der Telekom hat aber nur noch ein Anzeigenkunde Platz. Und das sei eben der erstgenannte, sagt Stoffmehl.
Klarheit könnten die betroffenen Unternehmer schaffen, beide wollen sich aber nicht öffentlich äußern. Und auch dem Verband der Bestattungsunternehmer sind die Hände gebunden. Die Organisation hat zwar intern eine Selbstverpflichtung gegen aufdringliche Werbung herausgegeben, Rechtscharakter haben diese Richtlinien aber nicht. Und so bleibt der Titel des Örtlichen bis zur nächsten Ausgabe vor allem eine Geschmacksfrage, wie Rotenburgs Pastor Schuster sagt, dem übrigens noch keine Klagen zu Ohren gekommen sind. Markus Daschner, dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen