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Vornehmlich ein psychologisches Problem

■ Auch bei nicht institutionalisierten Gruppenshows haben KünstlerInnen Angst vor dem Verlust ihrer Autonomie: Sabine B. Vogel über Ausstellungspraxis und Kuratorenwesen

taz: Warum hast Du als Kunstkritikerin diese Ausstellung kuratiert?

Sabine B. Vogel: Ich mach das eigentlich nicht aus irgendeinem bestimmten Frust heraus, sondern aus einer allgemeinen Unzufriedenheit. Das bezieht sich z.B. auf Gruppenausstellungen, bei denen alles autonom beschaulich präsentiert wird.

Also keine allgemeine Unzufriedenheit mit dem Kunstbetrieb?

Nein, das ist überhaupt nicht auf Kunst bezogen. Die Antriebsfeder ist wirklich, in den Präsentationsweisen etwas zu ändern.

War das der Grund, weshalb Du eine intensive Kommunikation unter den Beteiligten eingeleitet hast, in deren Verlauf das Konzept der Ausstellung und die einzelnen Projekte zur Diskussion standen?

Mein Bestreben war es, eine Gruppenausstellung als solche ernstzunehmen. Ich wollte nicht, daß die Leute ihre Arbeiten aus dem Atelier mitbringen, abstellen und dann wieder gehen, sondern daß aus der Gemeinschaft, die in der Vorbereitung da ist, auch etwas für die einzelnen entsteht. Insbesondere wenn es unter den Leuten schon gemeinsame Arbeitsansätze gibt.

Kann man diese gemeinsamen Ansätze darin sehen, daß sich die Beteiligten der „normalen“ Distribution von Kunst verweigern?

Ich glaube nicht, daß man von Verweigerung sprechen kann, weil einfach die Arbeiten die herkömmliche Präsentationspraxis nicht nahelegen. Das dachte ich zumindest. Denn als es dann in die Institutionen ging, kam doch bei einigen die Angst vor der Vereinnahmung, vor dem Verlust ihrer Individualität auf. Wenn die im Eigenauftrag arbeiten, entsteht dieses Problem nicht; ich denke aber, daß sich das auch in der Arbeit in Institutionen durchsetzen lassen müßte: eine künstlerische Praxis, die nicht auf die Behauptung von Autonomie zielt.

An der Kasseler Variante fiel mir auf, daß einzelne Arbeiten durch die räumliche Zersplitterung an Individualität gewinnen. Würde dieser Eindruck Deinem Grundgedanken widersprechen?

Das widerspricht sehr wohl meiner konzeptuellen Vorgabe. Ich hatte mir wirklich gewünscht, daß die Arbeiten mehr ineinander übergehen, und ich mußte dann feststellen, daß die meisten doch in ihre separaten Ecken gehen. Aber das ist vornehmlich ein psychologisches Problem, bei dem wir noch ganz am Anfang stehen. Die Tradition des Zeigens von abgegrenzten Arbeiten ist einfach länger.

Du denkst an unterschwellige psychologische Prozesse, die den Anspruch einer solchen Gruppenausstellung untergraben?

Unterschwellig ist das noch nicht mal. Die meisten Künstler haben noch so einen Glauben an die Schlagkraft von Kunst, die unabhängig vom Kontext der Produktion und Präsentation ist. Und meine Idee von einer Ausstellung ist, daß das Wo der Präsentation eine Möglichkeit ist, etwas mitzuteilen. Und das heißt: ein bißchen von der Individualität abzulassen. Da steckt sicherlich ein Idealismus drin, den ich aber nach wie vor nicht aufgeben will, auch wenn ich da immer diesen Mißbrauchsängsten der Künstler begegne.

Könnte dieses Problem nicht auch etwas mit den Ausstellungshäusern zu tun haben? Secession und Fridericianum sind ja nicht gerade irgendwelche Räume.

Sicher. Aber genau da muß es möglich sein. In irgendeinem selbstgefundenen Raum ist das viel einfacher. An der Schwelle solcher Institutionen entsteht anscheinend viel stärker der Wunsch nach Abgrenzung gegenüber dem Nachbarn als in kleineren Projekten. Aber auch da stehen wir noch am Anfang, das ist ein offenes Feld, was ja auch klasse daran ist.

Siehst Du das Projekt als Erfolg hinsichtlich der Reflektion der Rolle als Kuratorin?

Ich mache Ausstellungen nicht, um meine Rolle als Kuratorin zu reflektieren...

...vielleicht nicht Deine, aber die Instanz „Kuratorin“ allgemein.

Ich denke, daß sich diese Instanz gerade sehr ändert. Bisher definierten sich Kuratoren als Kustos oder Kustodin, die machtlos sind, weil sie weder Einfluß haben auf Verwaltungsstrukturen noch auf die Finanzen. Das ändert sich dadurch, daß immer mehr freie Kuratoren feste Häuser als Arbeitsmöglichkeit begreifen, ohne sich mit den Zwängen, die in solchen Häusern bestehen, auseinandersetzen zu müssen.

Aber widerspricht das nicht Deinem Ziel, bei der Präsentation von Kunst auch deren Bedingungen zu thematisieren?

Trotzdem. Für die Häuser ist das ja auch bequem, jemanden einzuladen, der sich um alles kümmert. Ich kann z.B. als freie Mitarbeiterin eine Kombination aufstellen oder eine Hängung ausprobieren, die ein Festangestellter nicht so leicht durchbekommt, weil er etwas repräsentieren muß, von dem er nicht weg kann. Ich kann mit den Räumen freier umgehen, genauso wie mit denjenigen, die für die Finanzen zuständig sind, weil ich ja noch keine Geschichte mit denen habe. Und wenn ich sage, das und das muß geändert werden, dann macht das denen nicht so eine Angst, als wenn das jemand aus dem eigenen Haus sagen würde. Interview: Martin Pesch

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